Die
Hörspiele - Theater für die Ohren
 In
der grauen Vorgeschichte des Rundfunks versammelten sich Familien
abends rund um den Radioapparat, um gemeinsam etwa Kriminalgeschichten
zu lauschen. Vielleicht stand aber auch mit der Adaption eines belletristischen
Werkes gerade eine anspruchsvolle "ernste" Geschichte
auf dem Programm. Das Hörspielangebot deckte viele Sparten
ab, schuf mit der Hörspielautorin einen neuen literarischen
Beruf und entwickelte die Urformen von Familienserie und Sitcom.
Im Zuge der wachsenden Ausbreitung und Popularität des Fernsehens
veränderte sich die Bedeutung von Radio, es mutierte zum Begleitmedium.
Hörspiele und andere Sendungen mit hohem Wortanteil, der aufmerksames,
konzentriertes Hören erfordert, wurden dementsprechend weniger.
Da Hörspiele auch verhältnismäßig teure Produktionen
sind, wird diese Form des Radiobeitrags heute nur mehr in einigen
wenigen "Kunstnischen" gepflegt. Und selbst die bei den
Jüngsten so beliebten Kinderhörspiele finden sich nur
mehr bei ganz wenigen öffentlich-rechtlichen Sendern im Programm.
Dieser wesentliche Bestandteil des kindlichen Medienalltags wird
fast ausschließlich in Form von Kassetten konsumiert, und
zwar in unterschiedlichsten Qualitäten. Denn neben hervorragend
produzierten Hörspielen finden sich - häufiger - auch
die Soundtracks aktueller Kindervideos und -Fernsehsendungen in
den Regalen von Buchhandlungen, Musikfachgeschäften, aber auch
in Supermärkten.
Relativ neu ist die Form des comicartigen Radiosketches (à
la Vignettenmann), der kurz und relativ billig produziert auch in
den musiklastigen Programmen Platz findet.
Möglichkeiten ...
Da sie ihre Lieblingshörstücke meist "Kassetten"
nennen, können Kinder und Jugendliche mit dem Begriff Hörspiel
oft nicht viel anfangen. Dementsprechend kommen sie auch kaum auf
die Idee, selbst ein Hörspiel zu produzieren. Und dies ist
schade, denn Hörspiel heißt: Freie Fahrt der Fantasie.
In einem Hörspiel lässt sich alles Erdenkliche darstellen.
Steinzeitmenschen auf Mammutjagd, die Straßen von Manhattan
bei Nacht, eine Intensivstation, ein Tag am nördlichen Polarkreis
- kein Problem. Für Szenen oder Situationen, die bei einer
Theater- oder Videoproduktion einen immensen Aufwand an Kulissen,
Requisiten und Kostümen bedeuten, braucht das Hörspiel
nur die passenden Geräusche und Atmos. Meist lassen sich die
relativ einfach herstellen und schon "steht" die Szenerie.
...
und Schwierigkeiten des unsichtbaren Theaterspielens
Darstellendes
Spiel ist den meisten Kindern und Jugendlichen vertraut. Wer eine
Rolle in einem Hörspiel übernimmt, steht jedoch vor der
Schwierigkeit, dass die optische Ebene fehlt, dass Gestik, Mimik
und Bewegung keinerlei darstellende Funktionen übernehmen können.
Handlung, Gefühle, Interaktionen - wie kann es gelingen, all
das nur akustisch zu vermitteln? Ein Konferenzteilnehmer fällt
ohnmächtig zu Boden, eine Taschendiebin vollendet geschickt
ihr Tageswerk - sind Situationen, die sich zum Beispiel über
die Reaktionen anderer darstellen lassen. Und wenn es gar nicht
anders geht, muss eine Erzählerin schildern, was sonst unklar
bliebe. Für den verspielten Einstieg ins "Theater fürs
Ohr" bieten sich verschiedene Formen von Stegreifhörtheater
an. Hier zwei Beispiele:
Stegreifhörtheater mit Kindern
Welche Figuren könnten in einem Hörspiel vorkommen? Fantasiefiguren,
Märchengestalten, Personen des realen Lebens, beliebte Medienfiguren
... Jede Teilnehmerin denkt sich eine Figur aus und schreibt diese
auf einen Zettel. Die Zettel kommen in einen Hut. Kleingruppen von
vier bis sechs Personen ziehen die entsprechende Anzahl von Zetteln/Rollen
und planen gemeinsam ein kurzes Hörstück. Durch die willkürliche
Zusammenstellung entstehen die unmöglichsten Figurengruppen.
WO könnte der kleine grüne Marsmensch der Tischlerin oder
Supermann begegnen, WESWEGEN sind die drei gerade an diesem Ort
und WAS passiert während der Begegnung? Die TeilnehmerInnen
entwerfen ein kleines Stück und führen es nach einer -
möglichst kurzen - Probe dem Rest der Gruppe hinter einer Trennwand
vor. So ist gewährleistet, dass die SpielerInnen Mimik und
Gestik nicht zu Hilfe nehmen können.
Stegreifhörtheater mit Jugendlichen
Die TeilnehmerInnen arbeiten wieder in Kleingruppen von vier bis
sechs Personen. Diesmal allerdings geht es darum, alltägliche
Konfliktsituation mit Hilfe einer kurzen Szene hörbar zu machen.
Der Streit darum, was die richtige Zeit ist, um nach Hause zu kommen,
wie oft das Zimmer aufgeräumt wird oder wer das Geschirr abwaschen
soll, wird dramaturgisch wirksam entwickelt, ein Schluss wird festgelegt.
Wie bei der vorherigen Variante, wird die Stück hinter einer
Trennwand vorgeführt. Das Ergebnis wird in der Gruppe gemeinsam
besprochen, wobei es wichtig ist, dass die DarstellerInnen sich
zuerst einmal das Feedback und die Anregungen der anderen TeilnehmerInnen
und der GruppenleiterIn anhören. Anschließend kann diskutiert
werden, wodurch die Szene (noch) besser / verständlicher /
glaubwürdiger / lustiger werden könnte. Und dann wird
noch einmal gespielt. Applaus! |
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