WikiLeaks
Die Website WikiLeaks bietet „Whistleblowern“ die Möglichkeit, bislang geheim
gehaltene Dokumente anonym im World Wide Web zu veröffentlichen. Ein „Whistleblower“ ist ein Hinweisgeber,
der Missstände, illegales Handeln an die Öffentlichkeit bringt. Der damit verbundene angloamerikanische
Rechtsbegriff findet bislang keine exakte Entsprechung im Deutschen – gleichwohl reflektierten etwa
Wissenschafts- und Verwaltungsethik das Phänomen „Whistleblowing“ zunehmend.
Whistleblower: http://de.wikipedia.org/wiki/Whistleblower
Nach eigenen Angaben ist das Ziel von WikiLeaks, „wichtige Nachrichten und Informationen an die Öffentlichkeit zu bringen“. http://www.wikileaks.org/About.html
WikiLeaks wurde 2007 offiziell als Nonprofitorganisation ins Leben gerufen. Mit der Veröffentlichung Tausender
Dokumente auf der Internetplattform WikiLeaks hat der politische Aktivist und Sprecher Julian Assange großen
Wirbel verursacht. Die Enthüllungen fordern betroffene Staaten und deren Verbündete öffentlich heraus.
WikiLeaks beruft sich auf die
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte – Artikel 19
„Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein,
Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und
Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“
Meinungsfreiheit sollte auch nicht durch Aktivitäten von Regierungen oder Privatunternehmen eingeschränkt werden. „Beschränkungen der Medienfreiheit, deren Ausübung Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, sind nur unter den im Art. 10 Abs. 2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, bezeichneten Bedingungen zulässig." (Quelle: Mediengesetz. BGBl. Nr. 314/1981. Präambel)
Darüber hinaus gilt in Österreich eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Wahrung der
Amtsverschwiegenheit, sofern
bestimmte öffentliche oder private Geheimhaltungsinteressen diese gebieten:
Art 20 Abs. 3 B-VG: „Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist (Amtsverschwiegenheit).“
Auch in Deutschland gibt es – ähnlich wie in Österreich – kein bundesweites Recht auf Zugang zu staatlichen
Informationen. Weitgehend grundrechtsgleiche Rechte der Bürger auf Zugang zu staatlicher Information gelten in
Skandinavien und den Niederlanden („open government“). In den USA sieht der „Freedom of Information Act 1966“ (5 USC § 552)
weitreichende Rechte der Bürger auf Zugang zu staatlichen Informationen und Veröffentlichungspflichten des öffentlichen
Sektors vor.
http://de.wikipedia.org/wiki/Open_Government
Eine Gratwanderung also zwischen Menschenrechten, Medienrecht, Amtsgeheimnis und Transparenz: http://de.wikipedia.org/wiki/Transparenz_(Politik)
Ist Whistleblowing legitim?
Dazu gibt es ein Fülle von differenzierten, weniger differenzierten und gegensätzlichen Ansichten: „Die Betreiber
von WikiLeaks glauben, durch totale Geheimnislosigkeit und perfekte Transparenz zur Befriedung der Welt beitragen
zu können. Ein alter und gefährlicher Irrtum. Schon Rousseau und Kant schwebte eine Gesellschaft ohne Masken vor.
Die idealistische Idee ist an die Messer der Guillotine geschmiedet.“ So der Literaturwissenschafter Manfred
Schneider in der NZZ vom 7. Dezember 2010.
Quelle: Der Traum von der Durchsichtigkeit als Transparenzterrorismus
Doch wieweit können Ideen zwischen Absolutismus und Aufklärung hilfreiche Spuren legen? WikiLeaks hat zweifellos einen Kulturwandel angestoßen und zivilgesellschaftliche Grenzen in einer global vernetzen Welt verschoben.
„Whistleblowing ist für eine Gesellschaft ein wichtiger Fehlerkorrekturmechanismus, und oftmals auch die Ultima Ratio,
das letzte Mittel, um die Zustände zu verbessern. Es geschieht dort, wo Insider und Praktiker erkennen, dass etwas wirklich
schief läuft. Und es ist die effizienteste Methode für positive Veränderung – wo man sie zulässt.“ So Daniel Domscheit-Berg,
der mehrere Jahre als Sprecher für WikiLeaks tätig war.
Quelle: http://www.freitag.de/wochenthema/1041-im-prinzip-gut
Informierte Verwirrtheit
Für das beginnende 21. Jahrhundert hat der Soziologe Manuel Castells den Begriff „Netzwerkgesellschaft“ geprägt, die
„informierte Verwirrtheit“ sei das Schicksal dieses Jahrhunderts. Er bezeichnet in „Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, 2000“
die Superstruktur einer globalen Gesellschaft, die mit einer netzförmigen Verknotung, bestehend aus Information, Macht, Technik
und Kapital, beschrieben werden kann. Dabei können verteilte Informationen nur offengelegt und genutzt werden, wenn die
Mitglieder nicht befürchten müssen, dass die Offenlegung von Informationen Sanktionen für sie nach sich zieht.
„Merkmal der Netzwerkorganisation der Gesellschaft ist nicht die Vernichtung von Hierarchie, sondern eher eine auf die
Spitze getriebene Flexibilisierung von Hierarchie und Mobilität von Positionen, verbunden mit der Haltung, nicht direkt
(disziplinierend) beherrschen zu wollen, die auf der anderen Seite auf eine ,Kunst nicht derart regiert zu werden’ (Foucault 1992: 12) trifft. Die Netzwerkgesellschaft ermöglicht es Macht entsprechend flexibler Muster zu transformieren.“
Quelle: http://home.arcor.de/tmielke/nwgespr.html
Der Physiker Albert-László Barabási wiederum wurde für seine Arbeit im Bereich der (skalenfreien) Netzwerke bekannt.
Skalenfreie Netzwerke sind, vereinfacht gesprochen, komplexe Netzwerke, die keine typische Anzahl von Verbindungen pro
Knoten aufweisen. Die empirische Untersuchung von „Komplexen Netzwerken“ ist von realen Netzwerken wie Computernetzwerken
oder sozialen Netzwerken inspiriert. Das ist insofern hier von Bedeutung, da es im nachfolgenden Text eine zentrale Rolle
spielt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Graph_(Graphentheorie)
Conspiracy as Governance
In seinem Text „Conspiracy as Governance“ legt Julian Assange im Dezember 2006 die Grundpfeiler für das Vorhaben WikiLeaks.
Vor und nach dem 11. September hat die amerikanische Regierung ein mathematisches Forschungsprojekt finanziert, das
terroristische Verschwörungen als verbundene Graphen untersuchen sollte. Einer der Ausgangspunkte von Assange ist hier
verankert. Um seinem Text zu folgen, sind keine mathematischen Kenntnisse erforderlich.
Verschwörung als Regierungshandeln
Von Julian Assange, 3. Dezember 2006„Verschwörung, verschwören: Gemeinsam geheime Pläne schmieden um eine schädliche Tat zu begehen; zusammen arbeiten, um ein bestimmtes Ergebnis herbeizuführen, üblicherweise zum Nachteil von jemandem. URSPRUNG im späteren Mittelenglisch: vom Altfranzösischen conspirer, vom Lateinischen conspirare, absprechen, anzetteln, von con-, zusammen mit spirare, atmen (OED, Oxford English Dictionary)
Die beste Partei ist eine Art Verschwörung gegen den Rest der Nation. (Lord Halifax)
Sicherheit ebnet den Weg zur Verschwörung.
(Julius Caesar, Akt 2, Szene 3. Die Botschaft des Wahrsagers, aber Caesar ist zu beschäftigt, um darauf einen
Blick zu werfen.)
Einleitung
Um das Verhalten von Regierungen zu ändern, müssen wir klar und kühn denken, denn wenn wir etwas gelernt haben, dann, dass Regierungen sich nicht ändern wollen. Wir müssen weiter denken als jene vor uns und technologische Veränderungen erkennen, die uns ermutigen, in einer Art und Weise zu handeln, die für unsere Vorfahren nicht möglich war.Wir müssen die entscheidende Grundstruktur schlechten Regierens verstehen.1
Wir müssen eine Denkweise über diese Struktur entwickeln, die stark genug ist, um uns durch den Morast konkurrierender politischer Moralitäten in eine Position der Klarheit zu führen.
Am wichtigsten ist es, dass wir diese Einsichten nutzen, um in uns und anderen einen Weg der Sublimierung und der effektiven Aktion anzuregen, um diese Strukturen, die zum schlechten Regieren führen, gegen etwas Besseres auszutauschen. “ [...]
Links
Der gesamte Text zum Nachlesen:
Conspiracy as Governance:
http://le-bohemien.net/2010/12/09/exklusiv-das-wikileaks-manifest/
Das englische Original:
http://web.archive.org/web/20070829163014/iq.org/conspiracies.pdf
Informationen zur Person Julian Assange:
http://de.wikipedia.org/wiki/Julian_Assange
Sieben Jahrhunderte WikiLeaks
„Ich persönlich bin mir mit Blick auf die 7 Jahrhunderte WikiLeaks sehr sicher, dass man Assange wie seinen Vorgängern
einst auch ein Denkmal errichten wird. Man wird über seine Verfolger und ihre Verbrechen verächtlich reden, wie man heute
verächtlich über Scheiterhaufen denkt, und sich über diese seine Zeit wundern, da die Bürger, die nun endlich frei und
mündig gewesen wären, nicht genug getan haben, diejenigen zu schützen, die die Wahrheit sagten, und jene gewähren liessen,
die sie bewusst belogen.“
Quelle: Sieben jahrhunderte wikileaks
It will be continued:
http://news.google.at/news/search?pz=1&cf=all&ned=de_at&hl=de&q=wikileaks&cf=all&scoring=n
Zitate
„Wie niemals zuvor verfügt die Menschheit heute über vielversprechende Methoden, weitverstreute Quellen des Wissens und der Kreativität in einem Strom zusammenzuführen, dessen Produktivität erstaunlich ist. Der Wert dieser Methoden hängt letztlich natürlich davon ab, wie wir sie verwenden. Wenn wir aber wetten wollen, ist es sicher sinnvoll, eine Wette auf den Optimismus abzuschließen.“ (Cass R. Sunnstein: Infotopia. Suhrkamp, 2009, Umschlagtext)„Die unter den Bedingungen des Sozialstaates fungierende Öffentlichkeit [hat] sich als ein Prozess der Selbsterzeugung zu begreifen; sie muss sich schrittweise in Konkurrenz mit jener anderen Tendenz erst einrichten, die in einer immens erweiterten Sphäre der Öffentlichkeit das Prinzip der Öffentlichkeit, gegen sich selbst gewendet, in seiner kritischen Wirksamkeit reduziert.“ (Habermas, Jürgen: Der Strukturwandel der Öffentlichkeit. Suhrkamp, Frankfurt/Main 1990, S. 337)