"Es
ist tödlich, mein Informant zu sein"
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Anna
Politkowskaja (1958 – 2006) war eine russische Reporterin,
Autorin und Aktivistin für die Menschenrechte. Am
7. Oktober 2006 wurde sie in Moskau ermordet.
Bis zuletzt trat sie mutig für Menschenrechte und Meinungsfreiheit
ein. Für ihre Arbeit erhielt sie zahlreiche internationale
Auszeichnungen. |
Die
Journalistin Rubina Möhring interviewte Anna Politkowskaja
im Dezember 2005: "Sie zählen spätestens seit Ihrer
Tschetschenien-Berichterstattung zu den Journalisten, die auf der
schwarzen Liste des Kremls stehen. Trotzdem leben sie in Moskau.
Wie gelingt es Ihnen, Ihren Beruf weiter auszuüben?"
Anna Politkowskaja: "Ich
bin natürlich nicht allein. Ich habe Informanten, ich habe
Menschen, die mir berichten, was vor Ort vorgeht. Und ich fühle
mich verantwortlich für diese Menschen. Es ist manchmal tödlich,
ein Informant von mir zu sein, ein Berichterstatter, einer, der
mir Informationen weitergibt. Und ich sage das nicht einfach nur
so leicht hin, ich möchte Ihnen ein Beispiel anführen:
Vor drei Wochen etwa habe ich einen Artikel geschrieben über
die Korruption von Pro-Moskau-Beamten in Tschetschenien, und es
gab dann sofort eine Klage von der Regierung, also es wurden meine
Zeitung und ich persönlich geklagt. Und heute habe ich erfahren,
dass derjenige, der vor Gericht für mich auftreten und aussagen
sollte, gestorben ist. Also noch einmal, die Menschen bezahlen wirklich
mit dem Leben, und das passiert alle zwei, drei Monate, dass jemand
verschwindet, der sagt, was er sich denkt. Man kann wirklich sagen,
die Menschen bezahlen mit dem Leben dafür, dass sie laut aussprechen,
was sie sich denken …"
(Der Standard, 9. 10. 2006)
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