Der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)
Wer
glaubt, dass seine Rechte aus der Menschenrechtskonvention verletzt
worden sind, kann beim Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Beschwerde
einlegen. Eine Beschwerde wird nur dann zugelassen, wenn vorher
alle innerstaatlichen Rechtsmittel ausgeschöpft worden sind
(EMRK, Artikel 35, Abs. 1).
Beschwerden können von Mitgliedstaaten (Staatenbeschwerde)
und Einzelpersonen (Individualbeschwerde) eingelegt werden. Die
Parteien eines Rechtsstreits sind an die Urteile des Gerichtshofes
gebunden, die Umsetzung überwacht das Ministerkomitee des Europarats.
Der Generalsekretär kann die Parteien um Erklärungen ersuchen,
in welcher Art und Weise ihr innerstaatliches Recht die effektive
Umsetzung der Konvention sicherstellt.
Das Verfahren vor dem Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte
Das europäische System des Menschenrechtsschutzes ist weitgehend
Case-Law, das bedeutet, dass geltendes Recht stetig vom EGMR in
seinen Urteilen fortgebildet wird. Mit anderen Worten: Was der EGMR
in seinen Entscheidungen festschreibt, gilt und muss in späteren
Urteilen beachtet werden. Die Urteile sind im Internet in der HUDOC-Datenbank
abrufbar.
Österreichische Mediengesetzgebung
Für die Mediengesetzgebung hat der Artikel 10 der Europäischen
Menschenrechtskonvention (EMRK) eine zentrale Bedeutung. Diese
Einheit soll das Thema Meinungs- und Informationsfreiheit mit
Beispielen aus der Praxis - Urteile des EGMR - vertiefen. Es werden
Urteile des EGMR, die mit Artikel 10 in Verbindung stehen, näher
betrachtet. Bevor Sie sich den Urteilen des EGMR zuwenden, lohnt
ein Blick in das österreichische
Mediengesetz.
"Dieses
Bundesgesetz soll zur Sicherung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung
und Information die volle Freiheit der Medien gewährleisten.
Beschränkungen der Medienfreiheit, deren Ausübung Pflichten
und Verantwortung mit sich bringt, sind nur unter den im Art.
10 Abs. 2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten,
BGBl. Nr. 210/1958, bezeichneten Bedingungen zulässig."
(Quelle: Mediengesetz. BGBl. Nr.
314/1981 in der Fassung BGBl. Nr. 151/2005)
Fragen |
1. |
Machen
Sie sich mit der Bedienung der Datenbank vertraut. |
2. |
Versuchen
Sie in der Datenbank alle Fälle eines Staates
zum Artikel 10 zu ermitteln. |
3. |
Suchen
Sie sich daraus einen Fall und lesen Sie den Abschnitt
"The Facts". |
4. |
Machen
Sie sich mit Artikel I, Dritter Abschnitt "Persönlichkeitsschutz.
Üble Nachrede, Beschimpfung, Verspottung und
Verleumdung" im österreichischen Mediengesetz
vertraut. |
Arbeitsunterlagen
(1,63MB) |
HUDOC-Database
User Guide |
(138kB) |
Österreichisches
Mediengesetz 2005
|
|
Urteile
des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
Beispiel
"Persönlichkeitsschutz": Politiker
oder Menschen in der Öffentlichkeit müssen mit schärferer
Kritik rechnen als Privatpersonen. In dieser Hinsicht können
strafrechtliche Sanktionen gegenüber der Presse einer Zensur
gleichkommen. Ebenso müssen Personen, die sich in die Öffentlichkeit
begeben, mit der Abbildung in einer Zeitung rechnen. Die Berichterstattung
über das Privatleben Prominenter kann aber sehr wohl das Persönlichkeitsrecht
verletzen. Prinzessin Caroline von Monaco klagte wegen Veröffentlichungen
von Fotos in deutschen Illustrierten, die sie in privaten oder alltäglichen
Zusammenhängen zeigten, nämlich beim Einkaufen, beim Radfahren,
zusammen mit einem engen Freund im Gasthaus oder privat mit ihren
Kindern. In einem Urteil vom 24. Juni 2004 entschieden die Richter
des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte einstimmig,
dass heimlich aufgenommene Fotos nicht ohne weiteres veröffentlicht
werden dürfen. Es ist daher immer eine Abwägung zwischen
dem Schutz des Privatlebens und der durch Artikel 10 der Konvention
garantierten Freiheit der Meinungsäußerung vorzunehmen.
Beispiel
"Üble Nachrede":
Beleidigt werden kann jeder Mensch, aber auch juristische Personen
wie etwa eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft. In einer Klage
wegen übler Nachrede hatte ein englisches Zivilgericht zwei
Umweltaktivisten zur Bezahlung von hohen Entschädigungssummen
an den Nahrungsmittelkonzern McDonald´s verurteilt, weil sie
1990 im Namen von London Greenpeace einige Tausend kritische Flugblätter
gegen das Großunternehmen ("What´s
wrong with McDonald's?") verteilt hatten.
Die beiden Beklagten wurden zur Bezahlung von 36.000 bzw. 40.000
Pfund verpflichtet. Die zugesprochenen Entschädigungssummen
waren zwar nach englischem Standard eher moderat, aber angesichts
des Einkommens der Beklagten sehr einschneidend. "Das Straßburger
Menschenrechtsgericht sah eine Verletzung der Verfahrensrechte nach
Art. 6 MRK (kein faires Verfahren, weil die Beklagten mittellos
waren und einem mächtigen Konzern wie McDonald's ohne Rechtsvertretung
gegenüberstanden). Auch die verhängten Schadenersatzsummen
wären unter diesen Umständen zu hoch gewesen: Solche Meinungsäußerungen
über Themen wie das Verhalten von großen Konzernen verlangen
nach einem hohen Schutzniveau gemäß Art 10 EMRK. Nicht
nur Journalisten haben ein Anrecht auf den Schutz durch Art 10 EMRK,
sondern auch Einzelpersonen oder Gruppen, die außerhalb des
'Mainstream' stehen, um einen Beitrag zur öffentlichen Debatte
zu leisten, wobei gerade bei Flugblättern ein bestimmter Grad
an Überzogenheit und Übertreibung zu tolerieren sei. Wirtschaftsunternehmen
müssen sich – wie andere öffentlich agierende Personen
– einem erhöhten Kritiklevel unterwerfen.
Durch die Verweigerung von Verfahrenshilfe wurde im vorliegenden
Fall wegen des Mangels an Fairness und Waffengleichheit vor Gericht
auch Art 10 EMRK verletzt."
(http://www.medien-recht.com/587-egmr_mcdonalds)
Aufgabenstellung |
Lesen
Sie von beiden Beispielen die Entscheidungen des EGMR
in der HUDOC-Datenbank:
CASE OF VON HANNOVER v[1]. GERMANY
CASE OF STEEL AND MORRIS v[1]. THE UNITED KINGDOM
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Linktipps
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Rollenspiel
"Blumental unverblümt"
Darf
jede/r alles sagen und schreiben, was er bzw. sie will? Soll eine
Zeitung alles schreiben dürfen oder soll es Einschränkungen
geben? – Wo liegt die Grenze zwischen freier Meinungsäußerung
und z. B. dem Recht auf Achtung der Privatsphäre, dem Recht,
in seiner Menschenwürde nicht verletzt zu werden?
Dieser Konflikt zwischen verschiedenen Grundrechten und die "Pflichten
und Verantwortung", die mit der Ausübung der "Freiheit
der Meinungsäußerung" verbunden sind (EMRK), sollen
in einem Rollenspiel zum Thema Pressefreiheit am Beispiel einer
Schülerzeitung näher beleuchtet werden.
Szenario
In der Schülerzeitung "Blumental – unverblümt"
gibt es immer wieder kritische Äußerungen zu politischen
Themen. Einen echten Skandal hat die soeben erschienene Ausgabe
verursacht: In einem Artikel wird ein Lehrer der Schule persönlich
angegriffen und als "Faschist" und "Menschenhasser"
bezeichnet. Die Schulleitung will deshalb, dass die Zeitung in Zukunft
vor dem Erscheinen von einer Lehrkraft begutachtet wird, die wenn
nötig verlangen kann, dass Artikel umgeschrieben oder ganz
weggelassen werden. Zur Erörterung dieser Maßnahme hat
die Direktorin/der Direktor mehrere Personen zu einer Besprechung
eingeladen.
Aufgabenstellung |
Rollenspiel:
Wo liegen die Grenzen der Meinungsfreiheit? |
Arbeitsunterlagen
(112kB) |
Rollenspiel "Blumental
- unverblümt" |
(13kB) |
Merkblatt
Schülerzeitung |
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