Wirkungsphänomene
Die theoretischen Vorraussetzungen und Ansätze zur Erklärung
von Medienwirkungen haben sich über die Zeit wesentlich verändert.
Standen füher Medienbotschaften im Zentrum der Untersuchungen,
so hat sich das Interesse immer mehr in Richtung Rezipienten verschoben.
Der dabei entstandenene Perspektivenwechsel hat eine ganze Reihe
neuer Ansätze hervorgebracht, um die verschiedenen Wirkunsphänomene
zu analysieren.
Verhalten,
Wissen, Meinungen, Einstellungen, Emotionen, Tiefensphären
des Psychischen sind möglichen Wirkungsbereiche. Dabei ist
aber eine solche Klassifizierung nicht unproblematisch, da die verschiedenen
Arten von Wirkungen funktional voneinander abhängen und ineinander
übergehen.
Geschichte
der Wirkungsforschung
1.
Phase Die 30er Jahre
In den 1930er Jahren wurde die Gesellschaft als Masse von isolierte
Einzelwesen gesehen. Dabei wurde angenommen, dass die Medien direkt
auf das Verhalten der Rezipienten einwirken können. Die Masse
könnte insofern von den Medien manipuliert werden, indem sie
das in den Medien gelebte Verhalten imitiert. Die Medien werden
dabei als allmächtig und in ihrer Wirkung als homogen eingestuft.
2.
Phase Die 50er/60er Jahre
In den 1950er und 60er Jahren besteht für die Wirkungsforschung
die Gesellschaft aus Kleingruppen mit hohem Konformitätsbedürfnis.
Die Medien wirken dabei primär auf die Einstellungen der Rezipienten,
die die Medien selektiv nutzen. Dabei wird der Wirkungsgrad der
Medien insofern als gering eingestuft, indem er nur die Einstellungen
verstärkt.
3.
Phase Ab den 1970er Jahren
In der dritten Phase besteht für die Wirkungsforschung die
Gesellschaft aus aktiven Individuen, die danach trachten ihre Bedürfnisse
gezielt zu befriedigen. Die Rezipienten wählen die Mediendarbietungen
gezielt nach ihren Bedürfnissen aus und können sowohl
die Bedürfnisse als auch Erkenntnisse beeinflussen. Die Wirkungen
der Medien werden dabei als mittel bis gross eingeschätzt,
abhängig davon welches Wirkungsphänomen gerade untersucht
wird.
Instinktheorie:
Man ging von einem sog. "Black-Box-Modell" aus und versuchte,
gesetzmäßige Beziehungen zwischen Reizen, die als "Input"
auf den jeweiligen Organismus einwirken, und Reaktionen (Responses),
mit denen der jeweilige Organismus als "Output" antwortet,
herzustellen.
Die
Vorstellungen über die Gesellschaft waren zu dieser Zeit von
der soziologischen Theorie der Massengeschellschaft geleitet, die
behauptete, "dass im Zuge von Industrialisierung und Demokratisierung
der Gesellschaft die Primärgruppen zusammengebrochen sind,
die dem Individuum soziale Außenstabilisierung boten. Die
Folge dieser Entwicklung ist, dass die einzelnen Individuen atomisiert,
isoliert und in wechselseiteiger Anonymität stehen".
Die
Stimulus-Response-Theorie als
Korrelat von Instikttheorie und Theorie der Massengesellschaft behauptete,
"daß sorgfältig gestaltete Stimuli jedes Individuum
der Gesellschaft über die Massenmedien auf die gleiche Weise
erreichen, jedes Gesellschaftsmitglied die Stimuli in der gleichen
Art wahrnimmt und als Ergebnis eine bei allen Individuen ähnliche
Reaktion erzielt wird." Damit war der Glaube an die omnipotenz
der Massenmedien geboren und man glaubte damit ganze Gesellschaften
lenken zu können.
Die
Soziologie "wiederentdeckte" die Kleingruppe. Man fand
heraus, dass die Menschen keineswegs atomisiert und sozial isoliert
in der urbanen Gesellschaft waren, sondern Mitglied vieler Gruppen.
(Familie, Freunde,...) So mußte schließlich die Theorie
der Massengesellschaft druch das Kleingruppenkonzept ersetzt werden.
Die
berühmte Untersuchung "The People´s
Choice" im Jahre 1940 von Paul Lararsfeld, Bernard
Berelson und Hazel Gaudet durchgeführt wollten damals Faktoren
offenlegen, welche die individuellen Wahlentscheidungen beeinflussen.
Ungeachtet massiver Propaganda durch die Massenmedien konnte lediglich
ein minimaler Wähleranteil in seiner Wahlabsicht beeinflusst
werden. Die Forscher mußten erkennen, "daß Menschen
in ihren politischen Entscheidungen mehr durch Kontakte von Mensch
zu Mensch beeinflußt werden, [...] als unmittlebar durch die
Massenmedien."
(Lazarsfeld, Paul/Menzel, Herbert: Massenmedien
und personaler Einfluß. 1964, S 120. In: Schramm (Hrsg.) 1964,
S. 117-139)
In
weitergehenden Untersuchungen stieß man dann auf eine Gruppe
von Personen die in der Folge als opinon
leader bezeichnet wurden. Daher formulierten die Autoren
den inzwischen vielzitierten Satz "This suggests that ideas
often flow from radio and print to the opinon leaders and from them
ot he less active sections of the population".
Opinon leaders besitzen eine überdurchschnittliche ausgeprägte
Geselligkeit, die sich in ihrer Kontaktfreudigkeit niederschlägt
und dabei ein überdurchschnittliches kommunikatives Verhalten
an den Tag legen. Darüber hinaus nützen sie die verfügbaren
Massenmedien überdurchschnittlich stark und bekleiden bestimmte
Rollen in ihren sozialen Gruppen, die sie für die restlichen
Mitglieder der Gruppen als "Experten" erscheinen lassen.
Dabei zieht sich die Rolle der "Meinungsführer" quer
durch alle Schichten und sind nicht mit den prominenten und reichsten
Personen ident.
Aktuelle Ergebnisse deuten allerdings darauf hin, das eine Differenzierung
in "opinon leader" und "non-leader" nicht aufrechterhalten
werden kann. Befunde aus den 1990er Jahren legen diesbezüglich
nahe, das die Einflüsse aus den sozialen Netzwerken auf die
politische Meinungsbildung wesentlich höher einzuschätzen
ist als auf den direkten Einfluß der Massenmedien.
"Was machen die Menschen
mit den Medien"
(Katz/Foulkes, 1962)
NUTZENANSATZ
Der so genannte NUTZENANSATZ definiert Medienzuwendungen als aktives,
sinnorientiertes Handeln und basiert auf dem theoretischen Konzept
des "Symbolischen Interaktionismus". Medien können
demgemäss verschiedene Bedürfnisse befriedeigen:
-
Kognitive Bedürfnisse
Menschen nutzen Medien, um sich zu informieren, das Wissen zu mehren,
die Welt oder sich selber besser verstehen zu können.
-
Affektive Bedürfnisse
Medien können auch zur Unterhaltung, Spannung und Entspannung
genutzt werden. Das Fernsehen wird z.T. als Flucht vor Alltagsproblemen
konsumiert; Musik kann zur Aufhellung der Stimmung gehört werden.
-
Interaktive Bedürfnisse
Medien geben Themen ab für Gespräche und erleichtern den
Kontakt zu anderen Leuten. Medien können aber auch als Ersatz
für nichtanwesende Personen fungieren.
-
Integrative Bedürfnisse
Medien können dazu dienen, das menschliche Bedürfnis nach
Stabilität, Vertrauen und Glaubwürdigkeit zu stillen.
So können z.B. gewisse Sendungen den Tages- oder Wochenablauf
strukturieren; Nachrichten geben einem das Gefühl, dass in
unmittlebarer Nähe alles in Ordunung ist.
Bevor
Medien Meinungen und Einstellung der Rezipienten beeinflussen oder
ändern können, müssen sie die entsprechenden Themen
überhaupt vermittlen. Durch die Auswahl und Gewichtung von
Themen (Medien-Agenda) bestimmen die Medien als GATE-KEEPER
darüber, was vom Publikum als dringlich empfunden werden soll
(Publikums-Agenda). Medien kreieren so öffentliche Arenen als
Medienrealität. Der Agenda-setting-Ansatz
untersucht die Zusammenhänge zwischen der Medienrealität
(Themenhäufigkeit) und der von den Rezipienten empfundenen
sozialen Wirklichkeit (Themenpriorität).
Obschon
Medieninformationen an die ganze Bevölkerung verteilt werden,
bestehen Klüfte zwischen Gut- und Schlechtinformierten. Dieser
Tatbestand ist die Basis der
Wissenskluft-Hypothese, die
den Zusammenhang von grösserem Informationsfluss und der wachsenden
Wissenskluft zwischen Bevölkerungsgruppem mit höherem
sozioökonomischen Status und/oder höherer formaler Bildung
und den status-oder bildungsniedrigeren Schichten untersucht.
Ausgehend von der Tatsache, dass die am Fernsehen gezeigte TV-Wirklichkeit
die soziale oder primäre Wirklichkeit verzerrt zeigt, behauptet
die Kultivierungshypothese,
dass Vielseher dazu tendieren, ihre Umwelt durch eine "TV-Brille"
verzerrt wahrzunehmen. So konnte Georg Gerbner 1976 nachweisen,
dass Vielseher, die automatisch auch viel TV-Gewalt konsumieren,
ihre Umwelt für gefährlicher einschätzen als Wenigseher.
Ausserdem wurde festgestellt, dass Vielseher eine homogenere Weltsicht
haben, was zur Bezeichnug des Fernsehens als "Mainstream-Medium"
führte.
Buchtipp: |
Christian
Doelker: "Wirklichkeit" in den Medien.
Zürcher Beiträge zur Medienpädagogik.
Zug: Klett & Balmer, 1979. Vertrieb: Pestalozzianum
Verlag Zürich. |
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