Eine
Sprache zu sprechen heißt Sprechakte zu vollziehen, Sprechakte
wie Aussagen treffen, Befehle erteilen, Fragen stellen, Versprechen
geben usw.
(Searle,
John)
Nehmen Sie an, dass Sie eines Tages während des Abendessens
aufstehen, durch den Raum gehen, den Hahn aufdrehen und sich ein
Glas mit Wasser füllen - es ist klar, dass Sie eine Handlung
vollzogen haben. Nun nehmen Sie an, dass Sie das Abendessen einnehmen
und dass Sie jemand anderen um ein Glas Wasser bitten. Auch das
ist eine Handlung. - Die Handlung, eine Bitte zu formulieren. Sprechen
ist nichts, das nur zufällig passiert. Sprechen bedeutet vielmehr
handeln.
So über das Sprechen zu denken ist wichtig, weil es uns einen
Einblick in die Nützlichkeit menschlicher Kommunikation gibt
- Menschen nützen nämlich Kommunikation als Werkzeug,
um ihre eigenen Ziele zu verfolgen.
Einer der ersten Wissenschaftler auf diesem Gebiet, Searle, identifiziert
vier grundlegende Kategorien von Sprechakten: Äußerungsakte,
propositionale Akte, illokutionäre Akte und perlokutionäre
Akte. Diese sind nicht getrennt und unabhängig voneinander.
Sie sind vielmehr Bausteinen vergleichbar. - Menschen vollziehen
Äußerungen, von denen manche propositional, manche illokutionär
und manche perlokutionär sind. Im Folgenden werden wir auf
die einzelnen Typen von Sprechakten der Reihe nach eingehen.
Äußerungsakte
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Ein
Äußerungsakt umfasst ein gesprochenes Wort oder
eine gesprochene Wortkette. Auf der einfachsten Stufe ist
eine Äußerung das simple Aussprechen eines Wortes
ohne speziellen weiterführenden Gedanken oder die Absicht,
etwas zu kommunizieren. |
Wenn Sie beispielsweise Ihre Hand auf die Kühlerhaube eines
Autos legen, das in der brennenden Sonne gestanden ist, werden Sie
sie wahrscheinlich schnell zurückziehen und dabei das Wort
"Oh!" von sich geben.
In diesem Fall haben Sie nicht die Absicht, damit eine Bedeutung
zu kommunizieren - es handelt sich lediglich um eine Reflexhandlung,
ausgelöst durch etwas Überraschendes. (Jemand, der Sie
hört, könnte zwar meinen, Ihre Äußerung bedeute
etwas, aber Sie selbst haben sie nicht geplant.)
Beispiele für "reine" Äußerungsakte umfassen
etwa Singsang-Reime beim Schnurspringen oder Auszählreime,
das Singen von Tonleitern zur Schulung der Stimme und ähnlich
bedeutungslose Ausdrucksformen.
Propositionale Akte
Eine mit mehr Bedeutung angereicherte Art von Äußerungsakten
beschreibt ein reales oder imaginäres Objekt oder bezieht sich
darauf. Beim Vollziehen eines propositionalen Aktes erhält
der Sprecher die Möglichkeit zur Interaktion. Wenn der Sprecher
und der Zuhörende denselben Code verwenden (d.h. wenn sie dieselbe
Sprache sprechen) und wenn sie beide das Objekt kennen, auf das
der Sprecher verweist, wird es ihnen möglich, Bedeutungen gemeinsam
zu teilen.
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Propositionale
Akte müssen keine Sätze sein und mit keiner Absicht
verbunden sein. Jede Wendung, die etwas bezeichnet oder spezifiziert,
ist ein propositionaler Akt. Es ist wichtig zu verstehen,
dass Äußerungen und Propositionen keine getrennten
Kategorien sind - ein propositionaler Akt ist eine spezielle
Form eines Äußerungsaktes. |
Illokutionäre Akte
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Ein
illokutionärer Akt wird in der Absicht vollzogen, einen
Kontakt mit dem Zuhörenden herzustellen. Illokutionäre
Akte sind üblicherweise Sätze, die Propositionen
enthalten, das heißt sie beziehen sich auf Dinge in
der Welt - das wichtigste an ihnen aber ist, dass sie intentional
sind. |
Sobald einmal klar ist, dass die Intention des Sprechenden wichtig
ist für die Bedeutung der Äußerung, ist auch einsichtig,
dass dieselben Worte je nach Intention des Sprechers unterschiedliche
Bedeutung haben können. Das hat die Wissenschaftler veranlasst,
illokutionäre Akte in Unterkategorien zu teilen, und zwar nach
dem Kriterium, wie diese Intention kommuniziert wird.
Nehmen Sie zum Beispiel den Satz "Ich bin müde".
Entsprechend der Intention des Sprechers könnte diese Äußerung
Folgendes bedeuten:
KONTEXT |
INTENTION |
BEDEUTUNG |
ART
DES AKTES |
Ein
Freund hat sich gerade nach meinem Befinden erkundigt. |
Die
Frage beantworten |
Ich
fühle mich erschöpft. |
Feststellung |
Jemand,
dem ich lieber aus dem Weg gehe, fragt mich, ob ich tanzen gehen
möchte. |
Höflich
ausweichen |
Ich
möchte eigentlich nicht. |
Feststellung |
Mein
Mann und ich sehen uns ein Fußballmatch im Fernsehen an. |
Etwas
anderes tun |
Können
wir das abdrehen? |
Frage
oder Wunsch |
Es
ist spät und meine kleinen Kinder wollen ins Kino gehen.
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Kinder
ins Bett bringen |
Nein,
geht zu Bett. |
Anordnung |
Wie wir sehen, kann - abhängig vom Kontext und der Intention
des Sprecher - eine Äußerung zur Feststellung, Anweisung,
Frage, zum Wunsch, Versprechen etc. werden.
Perlokutionäre Akte
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Illokutionäre
Sprechakte können erfolgen um Information zu geben, dringende
Antworten auf Fragen, um Lob auszudrücken usw., aber
sie erfordern nicht unbedingt eine Änderung im Verhalten
des Zuhörenden. Perlokutionäre Akte jedoch versuchen
sehr wohl, eine solche Veränderung zu bewirken. |
So
wie die anderen Akte sind perlokutionäre Sprechakte Äußerungen,
sie beinhalten Propositionen und sind auf Interaktion mit dem Empfänger
ausgerichtet. Searles' Modell besteht also aus einer Reihe von Stufen,
von der jede die Basis für die nächste, darüber liegende
bildet.
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Das
Sprechaktmodell |
Es ist wichtig, in Erinnerung zu behalten, dass auf jeden Sprechakt
ein Antwortakt durch den Empfänger folgen kann. Der nächste
Abschnittt des Tutorials wird sich damit auseinander setzen, wie
Kommunikation mit Feed-back zu der Form von kontinuierlicher Kommunikation
führt, von der zwischenmenschliche Beziehungen getragen werden.
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