Eine
Gruppe von Theoretikern, bekannt als "Palo-Alto-Gruppe"
und hier durch die Theorien von Paul Watzlawick vertreten, verlagert
den Fokus der Kommunikation in Beziehungen von der Intention des
Einzelnen auf die wechselseitige Interaktion innerhalb eines Kommunikationssystems.
Watzlawicks Modell der interaktiven Kommunikation trennt den Inhalt
der Kommunikation (das, was
gesagt wird) von der Art der Kommunikation (dem, wie
etwas gesagt wird). Watzlawicks Thesen zur Interpunktion
sollen dies veranschaulichen:
Beziehungen werden stärker, je mehr die Beteiligten in der
Lage sind, ihr Verhalten gegenseitig vorauszusagen. Die Interpunktion
beschreibt, wie die Kommunizierenden die Ergebnisse von Kommunikationsereignissen
bei der Organisation der Realität ihres Alltagslebens antizipieren.
Interpunktion erfolgt dann, wenn einer der Beteiligten sein Verhalten
ändert, basierend auf der Antizipation, dass jemand etwas sagen
wird, bevor der Betreffende
es tatsächlich sagt.
Ein Beispiel: Ein Student erhält von einem Professor den Auftrag,
eine Arbeit zu schreiben. Der Student nimmt eine Interpunktion vor,
indem er antizipiert, dass der Professor erwartet, dass die Arbeit
einen bestimmten Umfang aufweist oder in einem bestimmten Stil verfasst
ist. Er macht sich daran zu schreiben, was er glaubt, dass der Professor
"will". Das Produkt dieses Prozesses wird ein anderes
sein als das, das entstanden wäre, hätte der Student die
Vorlieben des Professors nicht berücksichtigt.
Da Interpunktion eine Handlung ist, bei der die Erwartungen eines
anderen interpretiert werden, ist sie tendenziell in ihrer Wirkung
zweideutig. In diesem Beispiel etwa könnte man einwenden, dass
die Kreativität des Studenten durch die Interpunktion gehemmt
wurde. Man könnte aber auch dagegen halten, dass die Interpunktion
dem Studenten als Anleitung beim Schreiben gedient hat.
In einer Beziehung interpunktieren die Beteiligten ihre fortwährende
Kommunikation, dabei können sich wiederholende Verhaltensmuster
entstehen. Nehmen Sie als Beispiel die Beziehung zwischen Tania
und Gerald, die beide wirklich gern zusammen sind. Tania "sitzt
und plaudert" gerne und freut sich, Dinge "in Ordnung
zu bringen" und irgendwelche Tätigkeiten rund ums Haus
zu verrichten. Gerald geht gerne fischen und genießt die entspannte
Atmosphäre draußen auf dem Wasser.
Nach einigen Wochen drinnen im Haus, beginnt sich Gerald "eingesperrt"
zu fühlen, andererseits erfüllt ein Tag im Fischerboot
Tania mit Unruhe und Langweile.
Anfang fühlen sie sich zu Hause wohl. Aber als Tania ununterbrochen
redet und immer wieder neue Hausbastelarbeiten für Gerald findet,
beginnt er sich eingesperrt zu fühlen. Tania antizipiert sein
Unbehagen und schlägt vor, fischen zu gehen. Anfangs fühlen
sie sich im Boot wohl. Aber als Gerald entspannt eigenen Gedanken
nachhängt, beginnt sich Tania zu langweilen. Gerald antizipiert
ihr Unbehagen und schlägt vor, nach Hause zu gehen.
 Obwohl
die beiden es im Ablauf ihrer Kommunikation mit denselben Daten
zu tun haben, leiten sie unterschiedliche Informationen davon ab.
Tania setzt eine Interpunktion im Hinblick auf Geralds Gefühl,
"eingesperrt zu sein", und Gerald setzt eine Interpunktion
mit Tanias "Langeweile". Das Ergebnis ist ein Verhaltensmuster,
das keiner von beiden ganz versteht. Vielmehr würden wahrscheinlich
beiden sagen, dass der andere sie dazu veranlasst, ihre Lieblingsaktivitäten
einzuschränken.
So wie bei allen Theorien und Modellen, die in diesem Tutorial vorgestellt
wurden, ist auch zum Werk von Paul Watzlawick und der Palo-Alto-Gruppe
viel mehr zu sagen, der springende Punkt an dieser Stelle ist, dass
sie eine Beziehung als System begreifen, in dem die einzelnen Beteiligten
für das Geschehen nur bedingt verantwortlich sind, und dass
das gesamte Systemverhalten Effekte einschließt, die überhaupt
erst durch die Interaktion der Beteiligten entstehen. |
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