Face-to-Face-Kommunikation
ereignet sich auf vielen Kanälen unter Anwendung vieler verschiedener
Codes und Sprachen. Diese "interpersonelle" Kommunikation
kann zur Bildung, Aufrechterhaltung und Auflösung einer Vielzahl
von zwischenmenschlichen Beziehungen führen.
Um zu sprechen benötigen wir jemanden.
Menschen, die bei Verstand sind, streifen nicht durch die Wälder
und reden dabei aufs Geratewohl, an niemanden gerichtet, nur so
vor sich hin. Selbst um ein Selbstgespräch zu führen,
muss man so tun, als wäre man zu zweit. (Ong,
Walter J.)
Unsere Sinne versorgen uns mit Daten aus der Umwelt. Unter diesen
Daten entdecken wir Muster, die in unserem Bewusstsein Konzepte,
Vorstellungen hervorrufen, denen wir zum Teil auf Grund unserer
persönlichen Erfahrungen und zum Teil infolge gesellschaftlicher
Konventionen Bedeutungen geben.
Es stimmt, dass Menschen durch Kommunikation ihrem inneren Selbst
Ausdruck verleihen, es stimmt aber ebenso, dass es Menschen nur
im Kontext der Gesellschaft, in der sie leben, möglich ist,
sich auszudrücken. Und ähnlich hier: Es stimmt, dass es
der gesellschaftliche Kontext ist, der den Gedanken, Gefühlen
und Ideen der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft Bedeutung verleiht,
es stimmt aber ebenso, dass die menschliche Kommunikation der Prozess
ist, durch den menschliche Gesellschaften gebildet und definiert
werden.
Wie auch immer. Wissenschafter, die versuchen in die eine oder andere
der beiden Richtungen - in Richtung Ich oder in Richtung Gesellschaft
- weiter vorzudringen, können dies nicht. Zumindest können
sie es nicht tun und dabei weiterhin ihre Forschungen nur auf die
Kommunikation beschränken. Wenn der Fokus der Forschungen geschärft
wird und nur mehr auf dem liegt, was innerlich, individuell oder
privat ist, dann werden die Forschungen an einem bestimmten Punkt
die Grenzen der Kommunikation überschreiten und ins Gebiet
der Psychologie, Erkenntnistheorie, Biologie etc. führen. Damit
aber geht etwas für menschliche Kommunikation Wesentliches,
nämlich "immer Teil einer Gruppe zu sein", verloren.
Umgekehrt: Wenn der Fokus nur auf dem liegt, was äußerlich,
verfügbar und auf Gesellschaft bezogen ist, werden die Forschungen
sich auf das Gebiet der Soziologie, Politikwissenschaft, Wirtschaft
etc. erstrecken. Damit geht der Aspekt von Kommunikation verloren,
demzufolge Kommunikation als Aktivität definiert ist, deren
Ursprung in den Gedanken und Handlungen des einzelnen Menschen zu
finden ist.
Im folgenden Abschnitt beabsichtigen wir, einen Blick auf diesen
interaktiven Aspekt von menschlicher Kommunikation zu werfen. Wir
würden dabei gerne verstehen, wie diese Interaktionen auftreten
und wie sich zwischenmenschliche Beziehungen bilden und zerstreuen.
Doch bereits zu Beginn unserer Untersuchungen sehen wir uns einem
schwierigen Problem gegenüber. Obwohl ein Empfänger einen
oder mehrere Codes teilen mag, und obwohl der Empfänger dem
Sender sehr nahe stehen, ja sogar ein enger Vertrauter sein kann,
hat er keine Möglichkeit, das Ich des Senders unmittelbar zu
erfahren.
 Egal
wie sehr sich jemand auch bemüht die Botschaft des anderen
zu verstehen, die Nachricht kann nur als kodiertes Signal empfangen
werden und die Empfänger können lediglich wissen, wie
sie das Zeichen dekodieren und bedeutungsmäßig auslegen.
Ebenso verhält es sich mit einem Sender, der das, was nur er
weiß, anderen vermitteln möchte. Egal wie sehr der Sender
sich bemüht und versucht, seine Erfahrungen mit anderen zu
teilen, es gibt keinen direkten Weg - Botschaften müssen vor
ihrer Versendung als Signale kodiert werden.
Somit können Leute, auch wenn sie viel Zeit mit anderen verbringen,
niemals direkt ihre Erfahrungen untereinander teilen, und sie können
einander nie zur Gänze kennen. Diese Situation - dass auch
noch so intensive Kommunikation niemals dazu führt, dass einer
alles vom anderen wissen kann - sorgt für viele Überraschungen
im Leben und ist auch der Grund dafür, warum das Studium zwischenmenschlicher
Beziehungen so interessant ist.
Da menschliche Kommunikation über viele Kanäle gleichzeitig
erfolgt und ständiges Feed-back involviert, ist es weiters
unmöglich, eine Person als Sender und die andere als Empfänger
zu definieren. (Sie erinnern sich vielleicht daran, dass das Shannon/Weaver-Modell
diese Art von interaktiver Kommunikation aufgrund der damit verbundenen
Komplexität nicht erklären konnte.)
Die Folge dieser beiden Fakten - dass Menschen nicht direkt wissen
können, was im Kopf des anderen vorgeht, und dass der Austausch
von Signalen in der menschlichen Kommunikation ein sehr komplexer
Vorgang ist - ist, dass interpersonelle Kommunikation nicht so sehr
ein Senden von klaren, deutlich abgehobenen Nachrichten ist, sondern
mehr eine kontinuierliche Interpretation eines andauernden Datenflusses,
in dem die Bedeutungen der Nachrichten ständig von den miteinander
Kommunizierenden neu verhandelt werden. Ein Anthropologe drückt
dies so aus:
Wenn wir von Kommunikation sprechen, reden
wir nicht von einer Situation, in der in simpler, fortgesetzter
Abfolge John agiert und Mary auf Johns Handlungen reagiert und umgekehrt
John auf Marys Handlungen reagiert. Im Wesentlichen diskutieren
wir bei Kommunikation von einem komplexen, nachhaltigen System,
durch das verschiedene Mitglieder der Gesellschaft sich mit mehr
oder weniger Effizienz und Leichtigkeit aufeinander beziehen. Der
Kommunikationstheorie zufolge kommuniziert John nicht mit Mary und
Mary kommuniziert nicht mit John, sondern John und Mary beteiligen
sich an Kommunikation. (Birdwhistell,
Ray, S. 12)
Das Wort Beteiligung ist hier
wichtig, weil es impliziert, dass Kommunikation nicht einfach etwas
ist, das ein Einzelner anderen
tut, sondern etwas, das Menschen gemeinsam
tun. Einzelpersonen bedienen sich der Kommunikation, um ihre Umwelt
zu erforschen, zu kontrollieren und zu genießen, aber ebenso
wahr ist, dass sich die Kommunikation ihrer als Mitglieder der Gesellschaft
"bedient".
Diese Beobachtung impliziert, dass in der Anwesenheit anderer alles,
was Menschen sagen oder tun (inklusive nichts), von anderen bemerkt
wird und für sie eine Bedeutung hat. Daher
involviert jede Situation, in der Menschen beisammen sind, Kommunikation.
Zur Veranschaulichung betrachten wir eine bestimmte Form von Kommunikation,
die Menschen tagtäglich in ihrem Leben pflegen, über die
sie aber nur selten nachdenken. |
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