StartseiteStartseite Archiv
BMB
editorial
info
themen
leitfaden
projekte
workshop
e-academy
network
Kommunikation
Wie entsteht Bedeutung?
Semiotisches Labor
Medienlabor
Texte-Medienkultur
Cultural Studies
Einführung
Visual Cultures
Mediengeschichten
Medienpraxis
Gender und Film
Short Cuts
Grundlagen
Grenzüberschreitungen
Homosexualität im Film
Ambivalente Filmhelden
Inszenierung von Weiblichkeit
Interkulturalität und Gender
Filmkritik mit C. Philipp
Filmehefte
Spielend Radio machen
Radiobeitrag machen
Radiotechnik
Sprechen vor der Kamera
Animationsfilm
Videoschnitt am Computer
Videoschnitt mit Avid
Meinungsfreiheit
Schülerzeitung
Weblogs & Podcasts
Dziga Vertov
Audiovisuelle Materialien
Tonmaterial
Medienkatalog

 
Was bedeutet Gender?
Gender ist das soziale Geschlecht. Die wissenschaftliche Disziplin, die sich mit Gender befasst, sind die Genderstudies (auch Geschlechterstudien oder Geschlechterforschung genannt). Die Genderstudies sind interdisziplinär angelegt und analysieren Geschlechterdifferenzen und Geschlechterverhältnisse sowie den Unterschied zwischen den sozial und kulturell konstruierten Geschlechtern.
 
Lady Gaga
 
Im angloamerikanischen Raum gingen die Genderstudies Wikipedia aus den Women‘s Studies hervor und etablierten sich Mitte der 1970er-Jahre in den USA zur eigenständigen Wissenschaftsdisziplin. Etwa zehn Jahre später erfolgte ihre wissenschaftliche Institutionalisierung im deutschsprachigen Raum.
 
Die Trennung zwischen dem biologischen Geschlecht (engl. sex) und dem sozialen/kulturellen Geschlecht (gender) ist einer der grundlegenden Ausgangspunkte der Genderstudies. Das soziale/kulturelle Geschlecht wird als ein von einer bestimmten Gesellschaft konstruiertes Geschlecht angesehen. Die jeweilige Geschlechterrolle (gender role) mit bestimmten „männlichen“ oder „weiblichen“ Eigenschaften ist demnach kulturbedingt bzw. anerzogen und nicht biologisch determiniert. Gender schlägt sich in Stereotypen nieder und manifestiert sich in gesellschaftlich wirksamen Männer- und Frauenbildern.
 
Nach Überzeugung der Genderstudies vollzieht sich Geschlechterzugehörigkeit vor allem durch Tätigkeit: Ein Mensch erfüllt die Erwartungen, die man in ihn als Mann bzw. in sie als Frau in der Gesellschaft (Familie, Schule, Arbeit, Freundeskreis etc.) setzt. Bereits die französische Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir betonte diesen Gedanken in ihrem Werk „Das andere Geschlecht“ (1949, deutsche Erstausgabe 1951) mit den Worten: „Man wird nicht als Frau geboren, man wird es.“
 
Eine der bedeutendsten Vertreterinnen der Genderstudies ist die US-amerikanische Kulturphilosophin Judith Butler (geb. 1956), die in ihrem Buch „Gender Trouble“ (New York 1990, dt. Übersetzung: „Das Unbehagen der Geschlechter“, Frankfurt/Main 1991) ebenfalls dafür plädiert, die geschlechtliche Identität als etwas Performatives (durch Tätigkeit Ausgelöstes) anzusehen. Nach Judith Butler ist nicht nur das soziale Geschlecht eine Konstruktion, auch das biologische Geschlecht könne als hinterfragbare Wahrheit bzw. als eine kulturelle Interpretation des Körperlichen angesehen werden.
 
Ziele des Gender-Mainstreamings
Davon ausgehend, dass es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt, versucht Gender-Mainstreaming den Bedürfnissen und Rechten von Männern und Frauen gleichermaßen gerecht zu werden. Gender-Mainstreaming meint also eine Gleichstellungspolitik, die darauf abzielt, die Gleichstellung beider Geschlechter auf allen gesellschaftlichen Ebenen (in privaten und öffentlichen Organisationen und Institutionen) durchzusetzen.
 
Gender-Mainstreaming wurde auf der 3. Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen in Nairobi 1985 als politische Strategie festgelegt. Der Begriff Gender-Mainstreaming erlangte auf internationaler und europäischer Ebene vor allem durch die 4. Weltfrauenkonferenz in Peking 1995, den Vertrag von Amsterdam 1999 und die Aktionsprogramme der Europäischen Kommission für die Chancengleichheit von Frauen und Männern eine umfassende Bedeutung.
 
„Gender Mainstreaming besteht in der (Re-)Organisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluierung politischer Prozesse mit dem Ziel, eine geschlechterbezogene Sichtweise in alle politischen Konzepte auf allen Ebenen und in allen Phasen durch alle an politischen Entscheidungen beteiligten Akteure und Akteurinnen einzubeziehen.“ (Definition des Europarates, Straßburg 1998)
 
Gender-Mainstreaming kann die frauenspezifische Gleichstellungspolitik nicht ersetzen, sondern nur ergänzen.
 
Die verfassungsrechtliche Grundlage für Gender-Mainstreaming ist Artikel 7 des Bundes-Verfassungsgesetzes, der jede Form der Diskriminierung auf Grund des Geschlechts verbietet und positive Maßnahmen ermöglicht: „Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten sind zulässig.“
(Art. 7 Abs. 2 B-VG, 1998)
 
In mehreren Ministerratsbeschlüssen seit dem Jahr 2000 hat sich die österreichische Bundesregierung zur nachhaltigen Umsetzung der Gender-Mainstreaming-Strategie in allen Politikbereichen verpflichtet.

 
Avatar
 
Gender – aktuelle Themenschwerpunkte
Bei der Frage, wie (gesellschaftliche) Machtverhältnisse und Hierarchien entstehen, sind zunehmend Untersuchungen ethnischer Faktoren in den Vordergrund gerückt. So lautet ein wichtiges Stichwort der neueren Forschung „Intersektionalität“, das auf einer Analyse von Ethnizität, Klasse und Geschlecht beruht. In Bezug auf den PISA-Test hieße das beispielsweise, Schulleistung nicht nur aus einer Gender-Perspektive zu prüfen, sondern verstärkt zu untersuchen, welchen Einfluss der ethnische und familiäre Hintergrund hat.
 
Ebenso hat sich in der Gender-Debatte der Begriff body turn durchgesetzt, was eine Hinwendung zum Körper bedeutet. Hier stellt sich die Frage, wie und wovon der Körper regiert, beherrscht und geformt wird. So haben der allgegenwärtige Schönheitsboom und der ansteigende Trend zu plastischer Chirurgie in der westlichen Kultur zu neuen Gestaltungsmöglichkeiten des eigenen Körpers und des eigenen biologischen Geschlechts geführt. Was ehemals emanzipatorische Selbstermächtigung war – den Körper in die eigene Hand zu nehmen –, wird heute zunehmend zu einem Gebot der körperlichen „Optimierung“.
 
Vgl.: http://diestandard.at/1263706277960/Gender-Studies-Sollen-Unis-helfen-exzellent-zu-werden
 
Filme als Identifikationsorte für Geschlechterrollen
Geschlechterrollen werden alltäglich - bewusst oder unbewusst - überall dort vermittelt und bekräftigt, wo Menschen aufeinander treffen, miteinander agieren und kommunizieren.
 
Ein besonders ausgeprägtes Repräsentationssystem für Geschlechterdarstellungen ist das Kino bzw. der Film. Häufig erlangen Stars und SchauspielerInnen erst dann Anerkennung und Ruhm, wenn sie ihre Figur - und damit verbunden auch ihre spezifische Geschlechterzugehörigkeit - gut verkörpern oder „performen“. Beispiele wären die Darbietungen besonders traditionell besetzter Rollenfiguren wie etwa Arnold Schwarzeneggers männliche Kampflust oder Angelina Jolies weibliche Verführungskunst. Als umschwärmte (Leinwand-)Idole werden SchauspielerInnen zu Projektionsflächen latenter Bedürfnisse und Wünsche. Nicht nur Jugendliche identifizieren sich mit den oft idealisierten Vorstellungen, wie „Mann“ bzw. „Frau“ zu sein oder auszusehen hat.

 
Visuell geprägte Medienkultur
Dass (zur Schau gestellte) Körperlichkeit und somit auch Geschlechtlichkeit schon seit längerem ein eigenes Phänomen darstellen, liegt vor allem an der stark visuell geprägten Medienkultur.
 
Mit den modernen visuellen Darstellungsmöglichkeiten (durch die Erfindung des Kinematografen Ende des 19. Jahrhunderts, die flächendeckende Verbreitung des Fernsehens seit den 1960er-Jahren und vor allem in jüngster Zeit durch das Web 2.0) ändern sich auch die Rezeptionsgewohnheiten. Anders als beim geschriebenen Wort, wo jede/r sich ein eigenes Bild machen kann, führen uns visuelle Medien ganz konkret vor Augen, was eine Frau bzw. einen Mann „ausmacht“.
 
Es dominiert ein Körperdiskurs, der Geschlecht ganz neu konstituiert: „Wir erhalten nicht länger verbale Beschreibungen oder Beispiele dafür, was eine Dame ausmacht oder woraus Weiblichkeit besteht. Statt dessen lernen wir die Regeln direkt durch einen Körperdiskurs: durch Bilder, die uns mitteilen, welche Kleidung, welche Körperform, welcher Gesichtsausdruck, welche Bewegungen und welches Verhalten verlangt werden.“
(Susan Bordo. In: Weingarten, Susanne: Bodies of Evidence, S. 13)
 
Kill Bill
 
Darstellungsmöglichkeiten von Männlichkeit bzw. Weiblichkeit
Wichtig wäre demnach, auch mit den SchülerInnen zu diskutieren, wie sich Männer und Frauen in der Öffentlichkeit oder in den Medien präsentieren können. Kulturelle Konventionen und Normen sind hierbei entscheidend. Regieren Liberalismus, Demokratie und Meinungsfreiheit, sind die Darstellungsmöglichkeiten von „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ offener als in Kulturen, in denen repressive und patriarchale Strukturen dominieren. Zudem kann sich die (durch Normen verursachte) und nach außen gekehrte Geschlechterrolle vom eigenen (sexuellen) Selbstverständnis unterscheiden. Man denke hierbei an nicht offen ausgelebte Homosexualität/Transsexualität.
 
Trotz aller liberalen Tendenzen in unserer Gesellschaft zementieren einseitige Darstellungen und Wertvorstellungen beharrlich, was als „männlich“ bzw. „weiblich“ definiert wird. In der Regel sind Männerrollen auf Aktivität, Kompromisslosigkeit und Dominanz und Frauenrollen auf Nachgiebigkeit, Konsens und Harmonie angelegt. An dieser Stelle sei auf (sexistische oder übersexualisierte) Werbespots verwiesen und damit verbunden auch auf die Tatsache, dass „männliche“ bzw. „weibliche“ Rituale oder Eigenschaften nach eingefahrenen Mustern toleriert oder sogar gewünscht werden.
 
Progressiv wirken Filmfiguren dann, wenn sie aus ihrem klassisch angelegten Rollenmuster ausbrechen. Subversiv oder kontroversiell sind beispielsweise Frauenfiguren, die aufbegehren, provozieren oder zwecks der eigenen Selbstbehauptung („wie ein Mann“) gewaltbereit agieren. (wie z. B. „Lisbeth Salander“ in den Filmen „Verdammnis“ und „Verblendung“ oder „Beatrix Kiddo“ in „Kill Bill“).
 
ZuschauerInnen orientieren sich an den Idealen und Werten von (medial) Dargebotenem. Wichtig wäre deshalb, auch zu diskutieren, warum visuelle Medien ein so hohes normatives Potenzial haben und inwiefern sie unsere Vorstellung von Realität formen. Die Vorlieben seitens der Jugendlichen zu thematisieren und zu ergründen, woher bestimmte Gewohnheiten oder Bedürfnisse kommen, sollte daher wichtiger Bestandteil der Auseinandersetzung mit „Gender und Film“ sein. Auch Ideen und Themenvorschläge von SchülerInnen sollten aufgegriffen werden.

 
Übung

Analysiert verschiedene Filmposter eurer älteren und neueren Lieblingsfilme. Macht Notizen zu folgenden Fragen und bezieht euch - ohne auf den Inhalt einzugehen - ausschließlich auf das, was ihr sehen könnt. (Bildmaterial findet ihr im Internet.)
 
  • Wie wird „Männlichkeit“ bzw. „Weiblichkeit“ dargeboten?
  • Wenn die Bilder Paare enthalten, wie stehen diese zueinander in Beziehung? Was verrät ihre Körperhaltung, ihre Mimik etc.?
  • Welche Rolle verkörpern die DarstellerInnen? Wie wirken sie auf euch? (Beispiele: dominant, selbstsicher, ängstlich etc.)
Diskutiert, welche eurer favorisierten Filmstars welche spezifischen Merkmale verkörpern. Warum findet ihr gerade diesen (männlichen oder weiblichen) Star gut?
 

Weiterführende Literatur
Bernhold, Monika; Braidt, Andrea B.; Preschl, Claudia (Hg.): Screenwise: Film, Fernsehen, Feminismus. Schüren Verlag, Marburg 2004
 
Braidt, Andrea B.: Film-Genus. Gender und Genre in der Filmwahrnehmung. Schüren Verlag, Marburg 2008
 
Bublitz, Hannelore: Judith Butler zur Einführung. Junius Verlag, Hamburg 2002
 
Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter. Gender Studies. Edition Suhrkamp, Berlin (deutsche Erstausgabe Frankfurt/Main 1991)
 
Cartwright, Lisa; Sturken, Marita: Practices of Looking. An Introduction to Visual Culture. Oxford University Press, New York 2001
 
Faulstich-Wieland, Hannelore: Einführung in Genderstudien. Verlag Barbara Budrich, Opladen & Farmington Hills 2006 (2. Auflage). Einführungstexte Erziehungswissenschaft, Band 12
 
Frey Steffen, Therese: Gender. Reclam, Leipzig 2006
 
Mautendorfer, Helga; Rösel, Georg; Soswinski, Sylvia: Geschlechtersensibilität in Schule und Unterricht. … und was heißt das jetzt konkret für meinen Unterricht? In: Krainer, Konrad; Hanfstingl, Barbara; Zehetmeier, Stefan (Hg.): Fragen zur Schule – Antworten aus Theorie und Praxis. Ergebnisse aus dem Projekt IMST. Band 4 der Reihe „Innovationen im Mathematik- und Naturwissenschaftsunterricht“. Studienverlag, Innsbruck 2009. S. 51 – 66
 
Rüffert, Christine u. a. (Hg.): wo/man: Kino und Identität. Gender-Trouble im populären Film. Ein Reader. Bertz + Fischer Verlag, Berlin 2003
 
Weingarten, Susanne: Bodies of Evidence. Geschlechtsrepräsentationen von Hollywood-Stars. Schüren Verlag, Marburg 2004

Links
Gender + Bildung: www.gender.schule.at/
Gender-Minstreaming (GM) BMUKK: www.bmukk.gv.at/schulen/unterricht/ba/gender_mainstreaming.xml
Genderkompetenz: www.gendercompetence.net/index.php
Interministerielle Arbeitsgruppe für Gender-Mainstreaming:
www.imag-gendermainstreaming.at/
Genderanalysen: www.genderanalysen.de/
Geschlechtsspezifisches Lernen (Video, 3sat-Mediathek):
www.3sat.de/dynamic/sitegen/bin/sitegen.php?tab=2&source=/nano/bstuecke/65161/index.html
Medienkatalog des BMUKK: http://medienkatalog.bmukk.gv.at/
filmABC - Institut für Medienbildung und Filmvermittlung: www.filmabc.at/
Online-Portal für Filmbildung: http://kinofenster.de/
Informationen rund um Film- und Medienerziehung: www.movie-college.de/index.htm
Lexikon für Filmbegriffe: www.bender-verlag.de/lexikon/index.php
Portal für Medienpädagogik und Medienkultur: www.mediaculture-online.de/index.php