Bilder
lesen. Der 11. September im kultur- und medientheoretischen Kontext
 |
Ich
möchte diesem Text zwei Vorbemerkungen
voranstellen. Die erste bezieht sich auf den Titel. In diesem
Zusammenhang verweise ich auf die Zeitgeschichtlerin Heidemarie
Uhl, die einige Wochen nach dem Anschlag auf das World Trade
Center in einem Aufsatz ganz zu Recht davon gesprochen hat,
dass die Ereignisse des 11. September eine Herausforderung
für die Kulturwissenschaften darstellen.1 |
 |
Diese Herausforderung hat, wenn ich
es recht sehe, drei Dimensionen:
|
Inwieweit
sind die Kulturwissenschaften imstande, einen relevanten
Beitrag zum Verständnis dieses Ereignisses und seiner
Nachwirkung zu leisten? |
|
Inwieweit
müssen oder können wir die Ereignisse im Sinne
eines interkulturellen Konfliktes zwischen dem Islam und
der westlichen Welt begreifen? |
|
Inwieweit können sich Kulturwissenschaften positionieren
zwischen einem radikalen Kulturalismus, der alles relativiert,
damit aber auch die Normen politischen Handelns, und einem
Universalismus, der von vornherein diese Normen für
universal erklärt, aber gerade deshalb in Gefahr ist,
die eigene Kultur stets zu privilegieren und damit der Ungleichheit
auf allen Bereichen – politisch, ökonomisch,
kulturell – Vorschub zu leisten, ja sie strukturell
zu verewigen, selbst dann, wenn es nicht seine erklärte
Absicht ist? |
Die zweite Vorbemerkung
bezieht sich auf eine notwendige perspektivische Verschiebung. Meinen
ersten Vortrag zu diesem Thema habe ich einige Wochen nach dem Ereignis
des 11. September gehalten, die nächsten ein Jahr danach, als
aus dem Ereignis schon ein Erinnerungsdatum geworden war. Der vorliegende
Text, zwei Jahre nach dem 11. September verfasst, ist aus einer
Perspektive geschrieben, in der der Verfasser des Jahres 2003, anders
als der des Jahres 2001 und 2002, um den Irak-Krieg und dessen Ausgang
weiß. Bestimmte Ereignisse ändern sich, sie werden anders
und neu erzählt und damit unterschiedlich kontextualisiert.
Beim neuerlichen Lesen des eigenen Textes und der Sondierung
des Materials wurde mir klar, dass der Text aus
dem Jahre 2001 in eine historische Dimension eingerückt ist.
Es war der Versuch, das weltweit medial präsente und inszenierte
Ereignis vom 11. September im respektvollen, aber kritischen Gespräch
mit Canetti als einen Zusammenstoß symbolischer Massen zu
begreifen, die sich nicht in realen, sondern in virtuellen Räumen
begegnen.2
Das Altern des Textes hat indes weniger mit der Analyse zum damaligen
Ereignis als vielmehr damit zu tun, dass der 11. September sich
im Durchlauf der Zeit verändert hat. Seine Bedeutung hat sich
vom Ereignis zum Erinnerungsdatum verschoben. |