Begonnen
hatte das Kino als Attraktion in Großstädten wie New
York, Paris, Wien, London und Berlin und trat dann seinen Siegeszug
rund um die Welt an. In den ersten dreißig Jahren seiner Existenz
war die Expansion und das Wachstum rund um das neue Medium Film
gewaltig. Wo immer Filme vorgeführt wurden, verdrängten
sie langsam andere Formen der Unterhaltung und zogen immer mehr
Zuschauer an. Wie das Publikum wuchsen auch die Vorführsäle,
von umgebauten Lagerhäusern bis hin zu pompösen "Filmpalästen".
In der Stummfilmzeit wurden Filmformen wie Animationsfilm, Komödie
und Serials entwickelt, die alle in den 20er-Jahren neben dem Spielfilm
an Bedeutung gewannen. Auch Dokumentar- und Avantgardefilm brachten
es in dieser Zeit gelegentlich zu kommerziellen Erfolgen, zählten
aber im Ganzen gesehen zu den nichtkommerziellen Formen des Kinos.
"'Stummfilm'
ist genau genommen eine Fehlbezeichnung. Die Filme selbst waren
zwar stumm, das Kino aber keineswegs. Die Vorführung früher
Filme, insbesondere nicht-fiktionaler, wurde vielfach von einem
Filmerklärer begleitet, und in Japan entstand die ungewöhnliche
Institution der 'benshi', die
zu zweit die Handlung kommentierten und den Dialog sprachen. (
)
Allgemein verbreitet war während der Stummfilmzeit die musikalische
Begleitung, die von Improvisationen auf einem verstimmten Klavier
bis zu Orchester-Kompositionen (
) reichten. Musik war integraler
Bestandteil des Stummfilm-Erlebnisses." (Nowell-Smith,
Geoffrey: Geschichte des internationalen Films, S. 5)
Begonnen
hat diese Entwicklung nicht mit einem einzigen Ereignis:
Edisons Patent auf das Kinetoscope
(1891) und die erste Projektion von Filmen vor zahlendem Publikum
durch die Brüder Lumière
(1895) markieren den Beginn der Filmgeschichte. Allerdings handelt
es sich dabei eher um eine kontinuierliche Entwicklung von Geräten
und Experimenten zur Präsentation von laufenden Bildern; Laterna
Magica, Film und Fernsehen gehören damit als Teile eines Entwicklungsprozesses
zusammen. So wurden noch lange Laterna-Magica-Vorführungen
gemeinsam mit Filmvorführungen präsentiert, und die ersten
Experimente, Bilder mit einer fernseh-ähnlichen Technik zu
übertragen und sichtbar zu machen, sind so alt wie das Kino.
Die Zielsetzungen all dieser Experimente variierten, beschäftigten
sich in der Mehrzahl aber mit der Analyse von Bewegung und mit ihrer
Reproduktion. Für die Entwicklung des Kinos waren jene Experimente
von Bedeutung, die auf eine natürliche Wiedergabe von Bewegung
abzielten.
Die
Illusion einer kontinuierlichen Bewegung erzeugen Filme dadurch,
dass eine Serie von Bildern schnell hintereinander vor einer Lichtquelle
vorbeigeführt wird und so auf einer reflektierenden Bildwand
projiziert wird. Dabei wird jedes Einzelbild kurz vor der Lichtquelle
angehalten und dann durch das nächste ersetzt. Ähneln
sich die jeweils aufeinander folgenden Bilder und läuft dieser
Vorgang schnell und gleichmäßig genug, werden diese Einzelbilder
als kontinuierlich wahrgenommen und erzeugen eine Illusion von Bewegung.
Mit
großem Eifer waren vor allem die Franzosen und Amerikaner
angetreten, diese Erfindung auszuwerten und nach China, Japan, Lateinamerika
und Russland - rund um den Erdball - zu tragen. Nicht nur bei der
Etablierung der Filmtechnik hatten Amerika und Frankreich die Führung
übernommen, auch in der künstlerischen Entwicklung des
Mediums waren diese Länder führend (und sind es bis heute),
auch wenn vor dem 1. Weltkrieg Italien, Deutschland und Russland
ebenfalls eine bedeutende Rolle spielten. Die italienische Filmindustrie,
die mit aufwändigen Produktionen wie Quo
Vadis? (1913, Enrico Guazzoni) und Cabiria
(1914, Giovanni Pastrone) dem langen Spielfilm zum Durchbruch verhalf,
brach nach dem Ende des 2. Weltkriegs fast vollständig zusammen.
"In
Skandinavien brachte es das schwedische Kino zu kurzer Blüte,
insbesondere mit den gewaltigen Sagas Victor
Sjöströms und den brillanten Komödien
Mauritz Stillers, bevor es
Dänemark in die relative Bedeutungslosigkeit nachfolgte. In
Europa bewies nur die deutsche Filmindustrie hinreichende Widerstandskraft,
während sich in der neuen Sowjetunion und in Japan die Entwicklung
des Kinos unter den Bedingungen wirtschaftlicher Isolation vollzog.
Die Vereinigten Staaten erwiesen sich schließlich als maßgebend."
(Nowell-Smith, Geoffrey: Geschichte des internationalen
Films, S. 3)
Die
USA sind bis heute einer der größten Einzelmärkte
für Filme. Dabei verfolgten die Vereinigten Staaten von Anfang
an eine energische weltumspannende Exportpolitik, schützten
in der Anfangsphase ihren eigenen Markt und waren gegen Ende des
1. Weltkriegs auf dem Weltmarkt führend. Aber Hollywood übernahm
nicht nur ökonomisch die Führung, auch künstlerisch
überzeugten die Filme aufgrund ihrer besser konstruierten Plots
und ihrer grandiosen Effekte und Stunts. Darüber hinaus erschloss
die Erfindung des Star-Systems eine neue Dimension der Darstellung.
So stellte Amerika die Dominanz im Wettbewerb sicher und war Anziehungspunkt
für Künstler und Techniker aus Europa.
Große
Regisseure wie Ernst Lubitsch
und Friedrich Wilhelm Murnau
gingen von Deutschland nach Amerika, aber auch Schauspielerinnen
wie Greta Garbo aus Schweden,
die allerdings weniger in den Vereinigten Staaten ein Star war,
sondern v. a. den europäischen Markt erfolgreich bediente.
"Der Triumph Hollywoods in den 20er-Jahren war ein Triumph
der Neuen über die Alte Welt. Er markierte das Heraufkommen
des Kanons moderner amerikanischer Massenkultur nicht nur in Amerika,
sondern auch in Ländern, die bis dahin nicht wussten, wie damit
umzugehen sei." (Nowell-Smith, Geoffrey: Geschichte
des internationalen Films, S. 4)
In
der Sowjetunion gehörte das Kino zur Vorhut der künstlerischen
Entwicklung. Sergei Michailowitsch Eisenstein,
1898 in Riga geboren, arbeitete als Regisseur und Bühnenbildner
vorerst am Proletkult-Theater. 1925 wurde er mit seinem Film "Panzerkreuzer
Potemkin" berühmt. Neben dem Publikum für
populäre, eher "triviale" Filme gab es auch ein wachsendes
Publikum mit Interesse an künstlerisch anspruchsvolleren Filmen
oder an solchen, die sich mit Problemen der aktuellen Wirklichkeit
befassten. Dabei entstanden filmästhetische Bewegungen in Verbindung
mit Strömungen in den anderen Künsten. Damit etablierte
sich das Kino bis zum Ende der Stummfilm-Ära nicht nur als
Industrie, sondern auch als die "Siebente Kunst".
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