Gegenwehr
Falschnachrichten und Fake News sind keine Naturgewalten. Man kann etwas dagegen tun.

 

Gegenwehr

Im Internet lassen sich allerlei Behauptungen finden – genauso wie deren Gegenteil. Eine verlässliche, faktenbasierte Website kann ebenso authentisch erscheinen wie eine Website, die Fakten verdreht. Welchen Informationen kann man vertrauen? Klar ist: Unterschiedliche (politische) Akteure und Gruppierungen versuchen mit großer Vehemenz, auf ihre Sache aufmerksam zu machen und setzen dazu unterschiedliche Mittel und Wege ein.

Über Social Media werden unterschiedliche Strategien verfolgt, um Menschen zu beeinflussen, sei es in Form von Falschnachrichten, Gerüchten, Halbwahrheiten, Beleidigungen, Fake News, Verschwörungstheorien oder Desinformationskampagnen. Diese Phänomene haben sich zu einer Bedrohung für den Einzelnen und zu einer Gefahr für die liberale Demokratie entwickelt. Bekanntes Beispiel: Die Falschmeldung, wonach sich Hillary Clinton in einer Pizzeria in Washington Kinder als Sexsklaven halten würde, verleitete einen 28-jährigen Mann im Jahr 2016 dazu, den Pizzaladen zu stürmen und dort mit einer halbautomatischen Waffe um sich zu feuern.

Gerüchte entkräften
Ohne Zweifel ist es für demokratische Gesellschaften essentiell, Entscheidungen aufgrund von korrekten Informationen zu treffen. Gerüchte zu entkräften und falsche Informationen zu korrigieren ist alles andere als einfach: Gerüchte können sich verfestigen und nicht selten führt ein Versuch Falschinformationen zu widerlegen, dazu, dass genau jene Gerüchte verstärkt werden, die man eigentlich entkräften wollte. Es ist daher unverzichtbar, dass sich Menschen dieses Problems bewusst werden und lernen, Gerüchte zu erkennen sowie Falschmeldungen zu widerlegen. Dieses Know-how muss gelernt, geübt und zum Einsatz gebracht werden.

Wissenschaftlich widerlegen: The Debunking Handbook
Die beiden australischen Wissenschaftler John Cook und Stephan Lewandowsky haben sich wissenschaftlich mit dieser Thematik beschäftigt. Sie haben ein Handbuch zum Widerlegen von Falschinformationen Originaltitel: The Debunking Handbook veröffentlicht. Ihrer These zufolge lassen sich Falschinformationen anhand von unterschiedlichen Methoden wirkungsvoll widerlegen. Eine Kernthese lautet, dass man sich auf die wichtigsten und zentralen Fakten konzentrieren soll. Es geht weniger darum, möglichst viele Gegenargumente zu finden, sondern sich auf wenige und möglichst stichhaltige Fakten zu konzentrieren. Ein weiterer Faktor, um Falschinformationen zu entkräften, sind aussagekräftige Infografiken, die das zentrale Gegenargument unterstützen.

Kritisches Denken im Zeitalter der Lügen
Apropos Grafiken: Der amerikanisch-kanadische Autor Daniel Levitin beschreibt in seinem Buch Kritisches Denken im Zeitalter der Lügen wie gut sich grafische Darstellungen und Statistiken genauso gut dazu eignen, Falschinformationen zu untermauern, um ihnen den Anschein von Seriosität zu verleihen. Menschen hätten Schwierigkeiten klar zu denken, sobald Zahlen im Spiel sind, weil sie sich von diesen einschüchtern lassen. Zahlen, die mit Prozentangaben und Durchschnitten operieren, eigneten sich besonders gut, um Verwirrung zu stiften. Daher sei gerade hier zur Vorsicht geraten. 

Ein Beispiel aus dem Buch: "Sie haben vermutlich gelesen, dass die Lebenserwartung stetig zunimmt. Für die im Jahr 1850 Geborenen betrug die durchschnittliche Lebenserwartung für Männer 38 und für Frauen 40 Jahre. Für die im Jahr 1990 Geborenen beträgt sie 72 beziehungsweise 79 Jahre. Jetzt könnte man denken, im 19. Jahrhundert habe es nicht so viele Fünfzig- und Sechzigjährige gegeben, weil die Menschen nicht so lange lebten. Die Menschen lebten aber sehr wohl so lange – was hingegen den Durchschnitt drückte, war die hohe Säuglings- und Kindersterblichkeit. Wenn Sie es jenseits der zwanzig schafften, konnten Sie schon damals ein langes Leben haben."

Daniel Levitin plädiert dafür, weniger leichtgläubig zu sein und jene Behauptungen, die sich auf Zahlen gründen, nicht ungefragt zu akzeptieren. Noch eine Zahl zum Abschluss: In den letzten fünf Jahren wurden mehr Informationen produziert als in der gesamten Menschheitsgeschichte zuvor. Folglich benötigt es Digital Citizens, die aus dieser Vielzahl an Informationen die richtigen Schlüsse ziehen können, dringender denn je.

Digitalkonzerne in die Pflicht nehmen
Es ist zweifelsohne wichtig, dass man als Einzelne/r weiß, worauf man im Netz achtet. Doch Medienkompetenz alleine genügt nicht – eine verantwortungsvolle Netzpolitik ist ebenso gefordert. Die Journalistin und Digital-Publizistin Ingrid Brodnig beschreibt in ihrem Buch Übermacht im Netz. Warum wir für ein gerechtes Internet kämpfen müssen, wie sich das Machtgefälle durch die Digitalisierung verschoben hat, nämlich weg von demokratischen Einrichtungen hin zu Konzernen, die ihre eigenen Rechtsräume definieren und neue Formen sozialer Kontrolle entwickeln.

Filmtipp
The Great Hack
Regie: Karim Amer, Jehane Noujaim (USA, 2019)
Das Geschäftsmodell von Google, Facebook und Co. basiert im Wesentlichen darauf, Verhaltensdaten ihrer NutzerInnen zu sammeln. Spätestens seit dem Skandal rund um Cambridge Analytica ist bekannt, dass diese Daten auch gezielt benutzt werden, um demokratische Wahlentscheidungen zu beeinflussen. In dem Dokumentarfilm erzählen diverse Whistleblower wie das funktioniert und welche Rolle Facebook dabei gespielt hat.