Journalismus

Feingefühl gefragt – Ethik im Journalismus – Interview mit Beate Haselmayer (ORF)

 
Viele Medien lenken ihren Schwerpunkt vor allem auf die Zurschaustellung von Emotionen und sensationsgeladene Informationen. Vor allem Social Media Kanäle leben von der Schnelllebigkeit schlagzeilengetriebener Nachrichten und missachten mitunter Persönlichkeitsrechte und die Wahrung des Pressekodex’.

Wir wollen der Frage nachgehen, was Ethik im Journalismus bedeutet und wie man Medieninhalte aufbereitet, ohne die betroffenen Personen in ihren Persönlichkeitsrechten zu verletzen.

 

Gerade bei sozial heiklen Themen ist ethisches Gespür gefragt. Wie sehr darf man sich einem Menschen mit der Kamera nähern? Ihn in seiner Wohnung und Intimsphäre zeigen? Zur Erzählung von Lebensumständen und persönlichen Schicksalsschlägen ermutigen? Wie berichtet man über persönliche Missstände, ohne die Menschenwürde zu verletzen?

Kurzum, was bedeutet es, journalistisch verantwortungsvoll zu handeln?

 

Eine Journalistin, die mit der Gestaltung von Sozialreportagen betraut ist und sich dabei immer wieder mit der ethischen Dimension von Medieninhalten befasst, ist Beate Haselmayer. Sie ist Journalistin und arbeitet als Reporterin bei „Am Schauplatz“ (ORF). Im Fokus der wöchentlich erscheinenden Sendereihe stehen die Lebensumstände von Menschen, die von Armut, herausfordernden Ereignissen und Isolation betroffen sind. In ihren Reportagen beleuchtet Beate Haselmayer soziale Missstände und wie Betroffene das Sozialsystem in Österreich erleben.

 

Ich treffe Beate Haselmayer in ihrem Stammlokal (Café Weimar), im 9. Wiener Gemeindebezirk.

Mich interessiert vor allem, wie sie bei ihren Recherchen vorgeht, was für sie Ethik im Journalismus bedeutet und wie man medienkritisches Denken schon in der Schule fördern kann.

 

Ein Gespräch mit Beate Haselmayer 

 

Beate Haselmayer im Café Weimar (Foto: Lisa Badura)

 

„Mich interessiert, worin die Ressourcen von Menschen bestehen. Diese möchte ich aufzeigen, da man aus den Lebensgeschichten von Menschen sehr viel lernen kann.“

 

 

Die Frage nach „Inszenierung“ und „Realität“

 

Lisa Badura: Immer wieder hört man, dass Reportagen zum Teil inszeniert sind. Protagonistinnen und Protagonisten werden ermutigt, bestimmte Handlungen auszuführen, die sich gut in eine Geschichte einfügen, die aber nicht von ihnen selbst kommen. Viele Sender arbeiten auch mit „Sripted Reality“, also mit der zugrundeliegenden Methode, Regieanweisungen und Aussagen der handelnden Personen vorzugegeben. Man führt damit die Betroffenen vor, ohne ihnen eine eigene Stimme zu geben. Wie geht ihr bei „Am Schauplatz“ mit dem Thema um? Wie viel „Realität“ darf überhaupt sein?

 

Beate Haselmayer: Als Reporterin versuche ich, so viel Realität wie möglich einzufangen. Gemeinsam mit meinem Kamerateam will ich Situationen dokumentieren, die auch ohne uns stattfinden würden. Wir beobachten Geschehnisse. Wir greifen nicht ein. Scripted Reality und vorgegebene Sätze sind genau das Gegenteil von dem, was wir wollen: das Leben, ganz so wie es ist, darstellen.

Im Unterschied zu den klassischen Nachrichtensendungen, die Politikerinnen und Politiker interviewen, haben wir es oft mit Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu tun. Zum Beispiel mit Obdachlosen, Flüchtlingen oder Menschen, die sich in ungewollten Lebenssituationen befinden. Es geht bei uns um die Hintergründe dieser Situationen und Lebensgeschichten.

Nach den entsprechenden Recherchen zu einem bestimmten Thema und dem Auffinden passender Protagonistinnen und Protagonisten ist es üblicherweise so, dass wir telefonische oder persönliche Vorgespräche mit den Personen führen. Uns ist wichtig, die Betroffenen vor den Drehs erst einmal kennenzulernen und eine Vertrauensbasis zu entwickeln. Außerdem versuchen wir schon im Vorfeld abzuklären, was beispielsweise tägliche Routinen sind und wo sich der Protagonist oder die Protagonistin gerne aufhält. Wenn jemand etwa erzählt, dass er oder sie auf Einkäufe im Sozialmarkt angewiesen ist, schlagen wir vor, ihn oder sie bei einem Einkauf zu begleiten. Insofern ist bei uns nichts inszeniert. Nur der Zeitpunkt bestimmter Handlungen kann Drehplantechnisch bedingt abgemacht sein. Die Vorgespräche dienen also dazu, einen Drehplan zu entwickeln und abzuklären, welche Themen überhaupt angesprochen werden dürfen. Wichtig ist uns vor allem Authentizität. Keine der Handlungen vor der Kamera sind unsere Anweisungen oder unsere Ideen.

Oft ist es auch möglich, dass wir Menschen ohne genauen Drehplan mit der Kamera begleiten, weil sich aus der Situation heraus authentische Handlungen ergeben, beispielsweise wenn wir mit Sanitäterinnen und Sanitätern unterwegs sind oder Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern. Dann schauen wir einfach beim Dreh, was passiert. Auch spontane Interviews auf der Straße sind bei uns üblich. Wir klären immer vorher mit den Interviewpartnerinnen und -partnern ab, wofür das Material gedreht wird, wo es gesendet wird und klären auf, dass jede Aussage natürlich freiwillig ist.

 

 

Persönlichkeitsrechte und Schaulust

 

Lisa Badura: Wie wahrt man die Persönlichkeitsrechte und die Integrität trotz „Zurschaustellung“ einer Person? Wann muss man als Journalistin oder Journalist wissen, dass die Kamera besser ausmacht wird bzw. man diese vielleicht gar nicht erst anschaltet?

 

Beate Haselmayer: Bei unseren Vorgesprächen – mit Menschen in sehr schwierigen Situationen besprechen wir meist vorher, wie das Interview ablaufen wird – klären wir heikle Themen, die nicht vor der Kamera besprochen werden sollen, immer ab. Wenn wir beispielsweise mit einem Gewaltopfer reden, ist es nicht unser Ziel, bis ins letzte Detail nachzubohren, wann und wie die Gewalt erfahren wurde, sondern eher zu zeigen, wie diese Person hier und heute lebt, mit ihrem Schicksal umgeht und wie sich die Lebensumstände verändert haben. Ich merke immer wieder, dass einige Menschen die Chance nutzen wollen, vor der Kamera ihre Stimme zu erheben und ihre Perspektive darzulegen.

Das ist es auch, was mich an meiner Arbeit antreibt. Mich interessieren Menschen. Jeder Mensch hat Ressourcen. Und mich interessiert, worin diese Ressourcen bestehen. Wie machen Menschen das Beste aus ihrer Situation? Wie gehen sie mit ihrem Schicksal um? Man kann aus den Lebensgeschichten anderer Menschen sehr viel lernen.

 

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Schülerzeitung machen! Aber wie?

 


Vor Kurzem haben wir über die Redaktion des GWIKU 18 (Gymnasium Haizingergasse Wien) berichtet. Denn die jungen Redakteurinnen und Redakteure der “HaiZeit” nehmen kein Blatt vor den Mund! Aber wie erstellt man eigentlich eine Schülerzeitung?

 

Soeben hat das BMBF das bestehende MERKBLATT zum Thema Schülerzeitungen überarbeitet und mit wichtigen Infos rund um die Herausgabe von Schülerzeitungen aktualisiert. Man erfährt, was eine Schülerzeitung im juristischen Sinn ausmacht und welche Aspekte es bei der Erstellung zu bedenken gibt.

 

Wir würden uns freuen, wenn Sie Ihre SchülerInnen ermutigen, eine Schülerzeitung zu gründen! Denn eine Schülerzeitung zu schreiben, erfordert kritisches und kreatives Denken und das wiederum hilft dabei, eine eigene Meinung zu entwickeln. Außerdem lernen die jungen RedakteurInnen, Verantwortung im Umgang mit Informationen und deren Verbreitung zu übernehmen.

 

Hier finden Sie allgemeine Infos rund um die Herausgabe von Schülerzeitungen.

Hier finden Sie das MERKBLATT.