Frauen und Medien – Interview mit Gabriele Gundacker

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Große Augen, schmales Gesicht, hohe Wangenknochen. Immer wieder untermauern diese Merkmale das weibliche Schönheitsideal. Auch im jüngsten Fotoprojekt des britischen Fotografen Rankin kam das von Jugendlichen gewünschte Selbstbild auf eindrucksvolle Weise zum Vorschein. Wie geht man mit der zunehmenden Bedeutung von Social Media wie Instagram und den Einfluss auf das Selbstbild(nis) um? Wie verändert sich das Bild der Frau in den Medien und welches Rüstzeug kann man Jugendlichen beim Heranwachsen mitgeben?

 

Wir haben mit zwei Frauen gesprochen, die dieses Thema aus ganz unterschiedlichen Perspektiven bewerten und angehen.

 

Gabriele Gundacker, Gesundheitspsychologin im F.E.M.

 

Mädchen wollen nicht hören, dass sie sich in Schablonen pressen lassen. Viel sinnvoller ist es, sie selbst reflektieren zu lassen, welche Bilder über Frauen und Männer sie wahrnehmen.

 

 

 

Lisa Badura: Gabi, du bist Gesundheitspsychologin und arbeitest in der Frauen- und Mädchenberatung. Stichwort „Frauen und Medien“: Unsere Medien vermitteln nach wie vor Geschlechter-Stereotype und beeinflussen somit das Rollenbild von Heranwachsenden. Gibt es Möglichkeiten, wie man mit Mädchen – und auch Jungen – die von vielen Medien klischeehaften Abbildungen gut reflektieren kann?

 

Gabriele Gundacker: Diskutieren, hinterfragen und Blickwinkel erweitern. Wesentlich ist zu überlegen, was für Ansatzpunkte es gibt und welche Überlegungen ich im Hinterkopf habe. Worum geht es und was möchte ich mit den Methoden erreichen? Konkrete Methoden findet man überall – als Tipp: http://www.give.or.at/material/ oder man kommt zu einem unserer momentan kostenlosen Fortbildungsworkshops im Frauengesundheitszentrum F.E.M.

Bei meiner Arbeit mit Mädchen im FEM mache ich immer wieder die Erfahrung, dass es wenig bringt, die Mädchen auf die Manipulation durch Medien hinzuweisen. Dabei erlebe ich oft, dass sie sich persönlich nicht betroffen fühlen und schon gar nicht hören wollen, dass sie sich in Schablonen pressen lassen. Viel sinnvoller finde ich es, Fragen zu stellen und andere Perspektiven aufzuzeigen und sie selbst reflektieren zu lassen, welche Bilder über Frauen und Männer sie wahrnehmen, welche Schönheitsideale sie erleben und womit sie sich identifizieren können und womit nicht. Es ist wichtig, selbst zu erkennen, wenn man manipuliert wird. Gerade Jugendliche haben meist einen sehr gut ausgeprägten Widerspruchsgeist in sich. Sie können sich in realen Situationen gut gegen Vorschriften zur Wehr setzen, die sie nicht sinnvoll finden und wollen selten so sein wie alle anderen. Diesen Widerspruchsgeist gilt es zu wecken und zu fördern und seine Kraft auch auf Bereiche zu lenken, wo Jugendliche vielleicht manchmal unkritischer sind.

 

Je mehr positive Körpererfahrungen ich mache, desto eher fühle ich mich im eigenen Körper wohl.

 

Stichwort „Körperbild“: Viele Abbildungen der digitalen und analogen Medien zeigen unnatürliche Formen von weiblicher „Schönheit“ und „schlank sein“. Wie kann man helfen, bei heranwachsenden Frauen ein positives und gesundes Körperbild zu etablieren? 

 

Es geht darum, bestimmte Themen im Auge zu behalten, immer wieder mitzudenken und mit den Jugendlichen zu diskutieren. Oftmals geht es um Haltungen und möglichst unterschiedliche Zugänge, über die ein Thema bearbeitet wird. Je unterschiedlicher und vielfältiger, desto eher kann eine Veränderung erreicht werden. Ich finde es immer wichtig, zunächst einmal die eigene Haltung und die eigenen Verhaltensweisen zu reflektieren. Wir alle sind geprägt und beeinflusst von den Bildern, die wir täglich sehen und von den gesellschaftlichen Bezugspunkten, mit denen wir aufwachsen. In den Fortbildungen, die ich für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Bereich Jugendarbeit anbiete, bitte ich immer einmal zu überlegen, wie man selber zum Thema Gewicht und Körper steht. Wie kritisch ist man selbst dem eigenen Körper gegenüber? Wie oft macht man anderen Komplimente, wenn sie an Gewicht verloren haben oder Kleidung tragen, die eine schlanke Silhouette machen? Welche Bilder verwendet man in der Arbeit mit Jugendlichen – wie werden die Frauen dargestellt? Gibt es eine gewisse Vielfalt an unterschiedlichen Frauentypen und dargestellten Rollenbildern?
Das sind keine speziellen Methoden, aber Überlegungen die wichtig sind, weil sie sich durch alle Bereiche der Arbeit mit Mädchen und Burschen ziehen und nicht nur punktuell wirken. Aber natürlich gibt es auch ganz konkrete Bereiche, die man aufgreifen kann. Etwa das Thema Körpergefühl und Körperwahrnehmung. Je mehr positive Körpererfahrungen ich mache, desto eher fühle ich mich im eigenen Körper wohl. Das können Bewegungserfahrungen sein oder ein Überlegen, was meinem Körper guttut. Oder man macht Körperwahrnehmungsübungen. Ganz wesentlich ist in diesem Zusammenhang natürlich auch das Thema Grenzen. Grenzen der Intimität und auch das Spüren und Erfahren von den eigenen Körpergrenzen. Methoden zu all diesen Themen und Ansatzpunkten gibt es viele. Welche man gerne einsetzen möchte, hängt auch von der eigenen Person ab. Ich glaube, dass es wichtig ist, Methoden zu wählen, die man selbst ausprobiert hat und gerne mag und die man authentisch und begeistert weitergeben kann.

 

 

Leider glaube ich, dass das MEHR an Öffentlichkeit und dieser größer gewordene Raum an oberflächlicher Begegnung, den Druck erhöht.

 

Was erhoffst du dir für die kommenden Generationen? Hast du die Hoffnung, dass heutige Jugendliche zunehmend reflektiert und milde mit ihrem eigenen Körperbild umgehen? Oder werden harte Urteile gegenüber dem eigenen Körperbild, beispielsweise durch die Bedeutung von Social Media, zunehmen?

 

Leider glaube ich eher, dass das MEHR an Öffentlichkeit und dieser größer gewordene Raum an oberflächlicher Begegnung, den Druck erhöht. Im direkten sozialen Kontakt ist es schon oft nicht ganz leicht mit Persönlichkeit zu punkten, anstatt mit gutem Aussehen. Aber wenn so viele andere Eindrücke der Person wegfallen, weil man ja nur einen sehr kleinen Ausschnitt sieht, wird man noch schneller auf ein paar wenige Kriterien reduziert, die meist mit dem Äußeren zu tun haben. Und ein zweiter Aspekt ist natürlich, dass die Kritik, die nicht persönlich stattfindet, meist viel härter und unfairer ist als im direkten Kontakt. Das alles macht es schwieriger, auch „Schwächen“ zu zeigen.
Dennoch bin ich zuversichtlich, dass das nicht bedeutet, dass die kommenden Generationen immer belasteter werden. Ich denke, jede Generation hat ihre Herausforderungen und jede Generation hat ihre Vorteile. Es ändern sich nur die Themen und Rahmen.

 

Wenn man bewusst hinschaut, beschreibt, was man sieht und überlegt, was das eigentlich bedeutet, kann man solche Dinge wieder wahrnehmen und damit auch in Frage stellen.

 

Viele Medien (vor allem Werbung) transportieren das Bild der kessen, aber dennoch harmoniebedürftigen, lächelnden Frau. Warum wollen Frauen/Mädchen in den Medien – und in der Realität – so oft gefallen? Gibt es Methoden, die ein anderes – vielleicht selbstbewussteres – Rollenverständnis des eigenen Geschlechts etablieren? Methoden, die helfen, das eigene Rollenverständnis zu überdenken und neu zu entwerfen?

 

Der erste Schritt ist fast immer ein Hinschauen und Bewusst machen. Dinge, mit denen wir täglich konfrontiert sind, gelangen oft gar nicht mehr in unser Bewusstsein. Wir denken nicht mehr darüber nach oder wundern uns nicht mehr über Widersprüche. Wenn man aber bewusst hinschaut, beschreibt, was man sieht und überlegt, was das eigentlich bedeutet, kann man solche Dinge wieder wahrnehmen und damit auch in Frage stellen. Erst das macht es ein Stück weit möglich, sich dafür oder dagegen zu entscheiden. In welchen Punkten man dem entsprechen möchte, was die Gesellschaft und die Medien einem zuschreiben und wo man sich gerne abgrenzen möchte und ein gegenteiliges Modell leben. Hilfreich finde ich auch immer die Arbeit mit Vorbildern: Sich Frauenbiographien anzusehen, die ein alternatives Leben zeigen oder auch im eigenen sozialen Umfeld suchen, ob es Frauenfiguren gibt, die sich gegen diese Zuschreibungen wehren und gute Wege gefunden haben, ihre Überzeugungen zu realisieren.

 

Stichwort Gendersensible Pädagogik. Was sind eure Überzeugungen und Ansätze? Welche Methoden unterstützen eurer Meinung nach die Gendersensible Pädagogik? Gibt es Aspekte, die man beispielsweise für den Sprachgebrauch oder gruppendynamische Prozesse beachten sollte?

 

Wenn man das Thema ernst nimmt, muss das Ziel sein, dass man zumindest im eigenen Bereich einen Raum zu schaffen versucht, wo Mädchen und Burschen und Jugendliche mit anderen Geschlechteridentitäten die gleichen Chancen haben. Das heißt, dass ich eine Sprache verwende, bei der sich alle angesprochen fühlen, dass ich Bilder verwende, die Vielfalt zeigen, dass ich Aufgaben und Rollen nicht nach Klischees verteile und möglichst viele unterschiedliche Erfahrungen in Bezug auf Rollenübernahme unterstütze.

 

Wir haben bald den 8. März, den Weltfrauentag. Gedankenspiel: Du dürftest einen gesellschaftlichen Bereich (Ausbildungsbereich, Wirtschaftsbereich, Politik, Kultur…) nach deinen Erfahrungswerten und Ansätzen umstrukturieren. Welche Ideen würden deiner Meinung nach zu mehr Gleichberechtigung und Demokratie führen?

 

Oh da würde mir schon einiges einfallen. ☺
Freier Zugang zu Bildung für alle, Gleichverteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, Chancengleichheit ernst nehmen und durchgehend mitdenken, gesetzliche Voraussetzungen schaffen, um Abhängigkeiten (vor allem zunächst einmal die finanzielle, existentielle) möglichst zu verhindern. Politische Vorbilder, die Menschen verbinden anstatt sie zu trennen (bezogen auf ALLE Diversitätsthemen), trotzdem Realitäten nicht ignorieren, wenn sie schwierige Anteile haben und Menschen, die für ihre Entscheidungen auch langfristig Verantwortung tragen. ☺ Einmal so als Anfang!

 

Liebe Gabi, vielen Dank für deine vielen Erfahrungswerte und spannenden Ansätze!

 

 

 

Beruflicher Hintergrund von Mag. Gabriele Gundacker

Mag. Gabriele Gundacker ist ursprünglich Kindergartenpädagogin und war auch in diesem Beruf tätig. Sie bildete sich dann zur Klinischen- und Gesundheitspsychologin aus. Seit etwa 12 Jahren ist sie im Frauengesundheitszentrum FEM tätig, unter anderem in den Bereichen Mädchenworkshops, Schulung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren zu den Themen Selbstbewusstsein, Schönheitsideale und Körperbild. Sie berät und arbeitet zudem mit wohnungslosen Jugendlichen und Kindern.

Frauengesundheitszentrum F.E.M.: http://www.fem.at/FEM/fem.htm

 

 

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