Fachtagung: „Wie kann Medienbildung im Schulalltag gelingen“?

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Man nehme 40 Lehrkräfte, 7 Tischkreise ausgestattet mit Flipcams & Memorykarten,

3 Themenrunden und 1 gemeinsame Suche, um die Erfolgsrezepte für Medienbildung herauszufinden.

Diese erlesenen Zutaten fand ich vor auf der medienpädagogischen Fachtagung im Rahmen des Medienfestivals mla:connect im Dschungel Wien. Im World-Café-Format wurde die Fachtagung abgehalten, und ich hab mich unter die LehrerInnen gemischt.

 

Folgende drei Themenrunden waren Grundlage für unsere Gespräche:

  1. Wie sehen Lernumgebungen für audio/visuelle Medienprojekte konkret aus und wie sollten sie idealerweise gestaltet sein?
  2. Welche Vereinbarungskulturen gibt es an Schulen, um Medien sinnvoll zu nutzen?
  3. Wie können Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung in der Medienbildung verankert werden?

Was wurde im Einzelnen diskutiert und welche Erkenntnisse kamen für mich dabei heraus?

 

Als es um den Austausch von Lernumgebungen ging, wurden die Memorykarten, die verschiedene Bilder aus dem Medienumfeld zum Thema hatten, spielerisch umhergeschoben, um Erfahrungen, Frust und Wünsche loszuwerden. Und was waren die Erfahrungen der LehrerInnen an meinem Tisch?

 

– Die oftmalige Notwendigkeit, sich privates Equipment zuzulegen, um nicht von der unzureichenden technischen Ausstattung der Schule abhängig zu sein;

– die Zurverfügungstellung privater Stunden, um das knappe Zeitbudget der Schulstunden auszugleichen;

– eine hohe soziale Kompromissbereitschaft.

 

Eine engagierte Lehrperson scheint heutzutage vor allem eines zu sein: eine ständige Vermittlerin, die bestrebt ist, ungünstige Bedingungen bestmöglich auszugleichen. Keine dankbare Rolle.

 

Aber warum lohnen sich angesichts der offensichtlichen Herausforderungen überhaupt die Mühen, Medienbildung im Schulalltag zu integrieren? Nach dem Austausch erschwerender Bedingungen folgten die Mut machenden Beispiele aus der Praxis.

Eine Teilnehmerin (Leiterin einer Heilanstalt) berichtete von den positiven Auswirkungen bei therapeutischen Ansätzen. Durch Medienarbeit erlebten physisch und psychisch erkrankte Jugendliche einen völlig neuen Zugang zu sich selbst und ihrer Umwelt. Bei einem Fotoprojekt wurden medizinische Apparaturen kunstvoll in Szene gesetzt, um durch die selbst kreierten Fotografiearbeiten, Wut und auch Hoffnung auszudrücken. Überzeugend klang, dass die Erkrankten durch die bewusste Hinwendung zu allem Unerwünschten Aggressionen abbauen und dadurch neue Perspektiven etablieren konnten. Hier wurde das Medium als Bindeglied zwischen der eigenen Person und der Außenwelt eingesetzt und damit seiner Grundfunktion als vermittelndes Element gerecht.

 

Zwei andere Teilnehmer (Lehrkräfte an einer Schule mit islamischem Schwerpunkt) berichteten von einem Filmprojekt, bei dem die Schülerinnen ihre Religion als Schwerpunkt ihres Films setzten und das Tragen eines Kopftuches zum selbstbewussten Statement ihrer Identität wurde. Die Schülerinnen hatten den Erzählungen zufolge großen Spaß daran, den „großen“ Medien ihre eigenen Botschaften entgegenzuschmettern. Die großen Medien mögen das Werk der Schülerinnen nicht bemerkt haben – die Schülerinnen wuchsen jedenfalls mit der Erfahrung, endlich mal ein eigenes mediales Sprachrohr zu haben und dieses unter professioneller Anleitung kreativ einsetzen zu können.

 

Diese Erzählungen waren zweifelsfrei Beispiele gelungener Medienpraxis. Warum?

 

Weil den Jugendlichen die Möglichkeit geboten wurde, sich mit eigenen Wertesystemen und der eigenen Identität auseinanderzusetzen und Sichtweisen medial zu transportieren. Für mich war das Ergebnis der ersten Gesprächsrunde, dass Medienpraxis – wenn alle Hürden einmal genommen sind – einen geschützten Rahmen bietet, um gesellschaftliche Partizipation und Demokratieverständnis zu erfahren. Schön zu sehen, wenn diese Dinge von den LehrerInnen eingefordert und unterstützt werden!

 

Als wir über Vereinbarungskulturen diskutierten, ging es vor allem um Transparenz, Dialogbereitschaft und den ewigen Spagat zwischen Verbot und Erlauben.

 

Viele LehrerInnen hatten positive Erfahrungen damit gemacht, Medien (vor allem Handys) nach Absprache (!) zu erlauben, um einerseits eine übertriebene Nutzung zu vermeiden und andererseits, um den Reiz des rigorosen Verbots zu umgehen. Aber auch „Time out“-Vereinbarungen wurden als notwendig empfunden, um den SchülerInnen – und auch sich selbst – mediale Auszeiten zu gönnen.

 

Ein weiterer wichtiger Diskussionspunkt beim Themenpunkt „Vereinbarungskultur“ war das genaue Gegenteil von konstruktiver Interaktion, nämlich Cybermobbing.

 

An unserem Tisch herrschte darüber Einigkeit, dass der beste Schutz vor Cybbermobbing Prävention sein muss und darum die Netiquette für den konstruktiven Umgang mit neuen Medien unumgänglich ist. Unter „Netiquette“ (ein Kunstwort aus dem englischen „net“ und dem französischen „etiquette“ ) versteht man das respektvolle Benehmen in der elektronischen Kommunikation. (s. Wikipedia). Eine gemeinsam getroffene Vereinbarungskultur zielt somit auf die Selbstregulierung innerhalb der Internet-Community ab.

 

Und was waren Erfahrungen aus der Praxis? Ein Teilnehmer erzählte von einem Fall, wo SchülerInnen einen Lehrer in einer unerwünschten Situation gefilmt hatten. Nach Aufdeckung des Films im Internet, wurden die Cybermobber zu einer filmischen Gegendarstellung bewogen. Das Statement des zweiten Films kreiste daraufhin nicht mehr um die Erniedrigung des Lehrers, sondern um Respekt sich selbst und anderen gegenüber. Laut Erzählung des Teilnehmers hatte die Straf-Maßnahme nachhaltige Wirkung. Weitere destruktive Filme wurden von den ehemaligen Cybermobbern nicht mehr ins Netz gestellt.

 

Und zu welchen Ergebnissen kam es beim Austausch über Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung in der Medienbildung?

 

Allen TeilnehmerInnen erschien die Vernetzung unter KollegInnen als wesentliche Bedingung, Medienbildung im Schulalltag verankern zu können. Auch Teamarbeit wurde als Erfolgsrezept gewertet, denn wie sagte eine Teilnehmerin so schön: „Im Team lehrt es sich einfach am besten! Was der eine nicht kann, das kann der andere!“

 

Ein starker Wunsch, der geäußert wurde, war eine offizielle Zertifizierung für Schulen, die aktive Medienbildung betreiben. Und Lehrpersonen, die Medienprojekte realisieren, sollten z. B. mit zusätzlichen Werteinheiten belohnt werden.

 

Als Redakteurin für Medienpädagogik und Teammitglied des media literacy awards bekommt man vor allem die Ergebnisse gelungener Medienprojekte zu sehen und erlebt, wie vielfältig Medienprojekte als Teil der Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt werden können.Gelungene Medienbildung endet meines Erachtens nach daher nicht nach Abschluss des Projektes, sondern wenn Projektteams einen Schritt weiter gehen und ihre Arbeit auch als Kommunikationsmöglichkeit mit der Außenwelt betrachten.

 

Warum also nicht das eigene Klassenzimmer öffnen und Außenstehenden gelungene Beispiele aus der Medienpraxis zeigen?!

 

Viele KollegInnen und TeilnehmerInnen des [mla] haben diesen Schritt bereits gewagt – ob via Social Media oder auf der Bühne. Herzlichen Glückwunsch kann ich da nur sagen!

 

Meine Kollegin Inge Fritz war ebenfalls unter den Anwesenden und hat einen Artikel zu “Medienbildung und Schulqualität” geschrieben. Diesen finden Sie hier!

 

Hier finden Sie allgemeine Infos zur Fachtagung!

 

 

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