Woche der Medienkompetenz

Das war die Woche der Medienkompetenz 2019 – Interview mit Christoph Kaindel

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“Weil wir beinahe unser gesamtes Wissen über die Welt aus Medien beziehen, ist die Bewertung von Informationen eine ganz entscheidende Kompetenz.”

Christoph Kaindel, der Koordinator der Woche der Medienkompetenz, hat gern Weitblick.
Foto: Christoph Kaindel

Lisa Badura: Ein beachtliches Programm hat die „Woche der Medienkompetenz“ heuer wieder zustande gebracht: Über 130 Aktivitäten wurden von Schulen und Universitäten, vom ORF und anderen Institutionen bundesweit initiiert und angeboten. Hat dich etwas besonders gefreut?

Christoph Kaindel: Ich habe mich in diesem Jahr besonders über die tatkräftige Unterstützung durch den oberösterreichischen Presseklub gefreut. Die haben sich wirklich ins Zeug gelegt und viele Angebote organisiert. Einige Zeitungen haben ihre Redaktionen für Schulklassen geöffnet, dazu gab es Führungen im ORF-Landesstudio in Linz und beim Regionalsender LT1.

Du selbst warst bei vielen Veranstaltungen vor Ort. Was waren deine persönlichen Highlights?

Du weißt ja, dass ich mich sehr für Spiele im Bildungskontext interessiere. Darum war ein Highlight für mich ein Workshop an der PH Wien, wo das Projekt GIRAT – Game Informed Recruitment and Assessment Tool – vorgestellt wurde, derzeit in der Pilotphase. Da geht es darum, wie Kompetenzen von Jugendlichen durch das gemeinsame Spielen ausgesuchter Games sichtbar gemacht werden können, zur Selbsteinschätzung, bei Jobmessen oder in Bewerbungsverfahren. Wir haben zwei Spiele, Keep Talking and Nobody Explodes und Spelunky, gespielt und danach über unsere Erfahrungen diskutiert. Sehr interessant, welche Eigenschaften durch gemeinsames Spielen zum Vorschein kommen, vor allem in den Bereichen Kommunikation und Kollaboration.

Thomas Kunze erläutert das Konzept von GIRAT – Game Informed Recruitment and Assessment Tool
Foto: Christoph Kaindel

Spannend fand ich auch eine „Public Value Lecture” an der FH Wien der WKW für Studierende des Studienzweiges Journalismus und Medienwissenschaft. Dort war am 21. Oktober Stefan Kappacher, Leiter des Medienmagazins #doublecheck auf Ö1, zu Gast. Er hat sehr offen und anschaulich über den Recherche-Alltag und die Qualitätssicherung in einem Radiosender erzählt, wie auch über die mögliche zukünftige Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Übrigens: Das Public Value Kompetenzzentrum des ORF ist meiner Ansicht nach noch zu wenig bekannt. Dort macht man sich Gedanken genau darüber, wie der ORF, der ja als großes Unternehmen einerseits etwas träge und andererseits durch gesetzliche Bestimmungen reguliert ist, auf Veränderungen in der Medienlandschaft reagieren kann und soll. Auf der Webseite sind viele Studien, Materialien und Videos zu finden, die zum Teil auch für den Unterricht geeignet sind. Hineinzuschauen lohnt sich, auf zukunft.orf.at.

Konrad Mitschka (li.) vom Public Value Kompetenzzentrum des ORF
im Gespräch mit Stefan Kappacher
Foto: Christoph Kaindel

Ob Cybermobbing, Fake News, Gaming, Propaganda im Film oder die Aufbereitung von Nachrichten – so unterschiedlich die teilnehmenden Institutionen waren, so unterschiedlich waren auch die methodischen Zugänge und Themengebiete. Welche Themen siehst du persönlich momentan als besonders dringlich im Schulkontext an? 

Ich halte tatsächlich den Themenkomplex Fake News/Propaganda derzeit für den wichtigsten. Weil wir beinahe unser gesamtes Wissen über die Welt aus Medien beziehen, ist die Bewertung von Informationen eine ganz entscheidende Kompetenz. In vielen europäischen Staaten ist es schwierig geworden sich Zugang zu unabhängigen Nachrichten zu verschaffen. Auch in Österreich wurde versucht, die Berichterstattung zu beeinflussen. Da heißt es wachsam sein und kritisches, also hinterfragendes Denken in der Schule zu fördern. Natürlich hängen das Thema Cybermobbing und Hassrede auch damit zusammen. Wie bei Fake News geht es da um emotional aufgeladene Inhalte und ihre virale Verbreitung bzw. besser Nicht-Verbreitung.

Ein Ziel der Woche der Medienkompetenz ist es, Schulen, (medienpädagogische) Institutionen und Medien zusammenzubringen. Ist dieses Vorhaben deiner Einschätzung nach heuer wieder aufgegangen?

Die Angebote von medienpädagogischen Einrichtungen werden, soweit ich das sehe, von Schulen gerne angenommen. Die Woche der Medienkompetenz kann hier einen wichtigen Beitrag leisten, indem wir zeigen, welche Bandbreite an Angeboten es überhaupt gibt. Eine österreichweite Medienberichterstattung, die wir uns gewünscht hätten, gab es heuer leider nicht. Der KURIER, der im letzten Jahr sehr viel über die Woche der Medienkompetenz und einzelne Projekte berichtet hat, war nicht mehr als Medienpartner dabei.

Dafür gab es, wie gesagt, reichlich Unterstützung durch den oberösterreichischen Presseklub. Auf ORF III wurden zudem preisgekrönte Filmbeiträge des media literacy award [mla] ausgestrahlt. Die APA hat eine kostenlose Presseaussendung ermöglicht und für das nächste Jahr eine weitere Kooperation in Aussicht gestellt. Auch mit dem Verband der Regionalmedien sind wir im Gespräch. Immer mehr Medien werden also auf die Aktionswoche aufmerksam. Aber Pressearbeit braucht natürlich Zeit, und viele Gespräche.

Die Dringlichkeit von Medienkompetenz und Medienbildung kann man auch an der großen Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sehen. Wenn alle Pläne aufgehen, wird die Woche der Medienkompetenz auch nächstes Jahr stattfinden. Welches Feedback und welche Reaktionen hast du von teilnehmenden Personen vernommen?

Alle Organisationen, die in den vergangenen Jahren dabei waren, haben ihre Angebote auch heuer wieder eingetragen. Und alle, mit denen ich spreche, halten die Aktionswoche für eine gute Sache. Ein wenig wird unser Aktivitätenkalender wohl dazu beitragen, die TeilnehmerInnenzahl der Veranstaltungen zu erhöhen. Vor allem aber wollen wir ja auf die Bedeutung von Medienkompetenz in all ihren Facetten hinweisen. Das sehen offenbar auch die Veranstalterinnen und Veranstalter so. Ich hoffe sehr, dass es die Woche der Medienkompetenz auch im nächsten Oktober wieder gibt.

Was würdest du dir für die WDMK im nächsten Jahr wünschen?

Wie immer wünsche ich mir mehr Beiträge aus den Bundesländern und mehr Beiträge aus Schulen. Dazu hoffe ich auf die verstärkte Teilnahme von Regionalmedien im nächsten Jahr. Ankündigungen in Regionalzeitungen oder freien Radio- und Fernsehsendern sollten die Bekanntheit der Aktionswoche kräftig steigern, und sowohl Anbieter als auch Schulen anregen, ihre medienpädagogischen Aktivitäten in den Kalender einzutragen oder neue Angebote zu entwickeln. Daraus könnten wieder spannende Projekte entstehen, über die in Regionalmedien berichtet werden kann – also ein Gewinn für alle Beteiligten.

Vielen Dank für das Interview!

Zur Person: Christoph Kaindel ist studierter Historiker und seit 20 Jahren als Medienpädagoge tätig, unter anderem war er pädagogischer Leiter des Vereins Wiener Bildungsserver und Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Wien. Daneben ist er auch als Grafiker und Cartoonist tätig. Sein Lieblingsthema ist Lernen durch Game Design. Bei mediamanual ist er für die Koordination der Aktionswoche „Woche der Medienkompetenz“ zuständig. Er lebt in Gablitz bei Wien.

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Vom 20. – 28. Oktober 2019 waren Schulen, Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler, Vertreter der Medien, der Wissenschaft und Kunst sowie NGOs und Politik eingeladen, sich aktiv mit eigenen Ideen und lokalen Aktivitäten österreichweit an der Woche der Medienkompetenz zu beteiligen.

Die Woche der Medienkompetenz hatte das Ziel, den Schwerpunkt Medienbildung in den gesellschaftlichen Mittelpunkt zu rücken. Kreative Ideen und kritische Impulse von MediennutzerInnen jeden Alters waren herzlich willkommen! Gemeinsam sollten Chancen und Gefahren im Umgang mit digitalen Medien sichtbar und nachvollziehbar gemacht werden.   

Nächstes Jahr findet die Woche der Medienkompetenz vom 18. – 26. Oktober 2020 statt.

Mehr Infos zur Woche der Medienkompetenz

Medienkritik und Medienanalyse: Historischen Bildern auf der Spur – Waldheims Walzer im Österreichischen Filmmuseum

 

„Er schien sein Volk umarmen, umschlingen zu wollen.“

(Ruth Beckermann, Regisseurin von “Waldheims Walzer”)

 

 

Im April widmen wir uns dem Thema “Medienkritik und Medienanalyse” und fragen uns, wie man sich Medienkritik und Medienanalyse in der medienpädagogischen Arbeit nähern kann. Zu welchen Erkenntnissen kann uns der Einblick in historisches Filmmaterial führen? Wir schlagen eine Spurensuche im Österreichischen Filmmuseum vor und zeigen ein Beispiel auf, bei dem Bilder politischer Inszenierungen die Gelegenheit boten, in vergangene Bilderwelten einzutauchen.

 

Im Rahmen der „Woche der Medienkompetenz“ arrangierte das Österreichische Filmmuseum vergangenen Herbst eine Schulvorstellung zum Film „Waldheims Walzer“ und lud zum anschließenden Publikumsgespräch mit Regisseurin Ruth Beckermann ein. Der Dokumentarfilm ist inzwischen vielfach ausgezeichnet, u.a. in der Kategorie “Bester Kinodokumentarfilm 2019” auf der diesjährigen DIAGONALE.

 

Katharina Müller vom Österreichischen Filmmuseum im Gespräch mit Ruth Beckermann (Foto: Lisa Badura)

 

Im Dokumentarfilm „Waldheims Walzer“ (2018) zeichnet Ruth Beckermann anhand von Archivmaterial den Wahlkampf des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kurt Waldheim um das Amt des österreichischen Bundespräsidenten im Jahr 1986 nach. Die Lücken in der Kriegsbiografie des Politikers bilden die Ausgangsfrage des Films.

Ein Großteil des Archivmaterials zeigt einen Mann, der als öffentlichkeitswirksamer, charismatischer und familienfreundlicher Staatsmann inszeniert wird. Wie hätte man solch einem Mann nicht das repräsentativ höchste Amt in der Republik zutrauen können? Entsprechend großen Rückhalt genoss der Politiker in der Bevölkerung und wurde bekanntlich – wenn auch knapp – 1986 zum Bundespräsidenten gewählt.

 

„Er schien sein Volk umarmen, umschlingen zu wollen,“ ist eine Aussage, die ziemlich zu Beginn des Films aus dem Off kommt und von der Regisseurin selbst stammt. Viele der während des Wahlkampfes entstandenen Aufnahmen gehen noch heute unter die Haut. Es sind Bilder, die verführen und emotional bewegen. Sie zeigen Frauen und Männer, die dem Politiker freudig zujubeln und in die Kamera winken. Es sind affirmative Bilder, die die positive Aura und Reputation des Präsidentschaftskandidaten bestärkt haben dürften.

 

 

Während des Publikumgesprächs berichtete Ruth Beckermann über ihre herausfordernde Rolle im Rahmen des Filmprojekts. Sie war nicht nur Dokumentierende, sondern auch DemonstrierendeIm Film kommen nämlich auch jene Bilder zum Vorschein, die zu Zeiten des Wahlkampfes laut Aussage der Regisseurin von den öffentlich-rechtlichen Medien selten gezeigt wurden. Zum einen handelt es sich um selbst gedrehtes Filmmaterial (von damaligen Demonstrationen, Manifestationen und Kunstaktionen) als auch um Material aus diversen Archiven (Archiv des ORF, Staatsarchive aus dem ehemaligen Jugoslawien, Archiv des Jüdischen Weltkongresses), das die Regisseurin miteinander verwebt und somit auch die andere Seite des Politikers zeigt.

 

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