Wie junge VolksschülerInnen die Leinwand erobern – Interview mit Elisabeth Köbke (VS Rötzergasse, Wien)

Elisabeth Köbke
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“Beim Projekt wurde eine Vielzahl an Kompetenzen abgedeckt. Fragestellungen waren unter anderem: Wie kann ich meine Meinung äußern und begründen? Wie kann ich in Konflikten nach Lösungen suchen? Wie kann ich in Gesprächen respektvoll und angemessen sprachlich handeln?”
Klein hatte alles begonnen. Und dann kamen sie ganz groß heraus. Beim media literacy award 2017 wurden die Schülerinnen und Schüler von Elisabeth Köbke (Volksschule Rötzergasse, Wien) für ihr Projekt „Die Geisterjagd“ in der Kategorie „Video“ ausgezeichnet.
Lisa Badura: Ihre SchülerInnen hatten voriges Jahr einen Legetrickfilm erstellt, in dem alle Aspekte eines gelungenen Films enthalten sind: Eine spannende Geschichte, gute Dialoge und eine technisch schöne Ausarbeitung. Beim Anschauen des Films bekommt man den Eindruck, dass Ihre SchülerInnen viel Spaß hatten. Die Stimmen der Dialoge zeugen von Enthusiasmus und Gefühlen der Involviertheit.
Vielleicht könnten Sie kurz umreißen, wie das Projekt entstanden ist, warum es eine fächerübergreifende Kooperation war und wie lang die SchülerInnen am Projekt gearbeitet haben.
Elisabeth Köbke: Die im Projekt „Die Geisterjagd“ verwendete Stop-Motion-Technik hat mich schon seit längerem fasziniert, nicht nur im schulischen Kontext. Als eine Kollegin an meiner Schule dann damit begonnen hat, mit einer SchülerInnengruppe einen Film in dieser Technik zu erstellen, war ich sofort inspiriert, dies auch in meinem Unterricht durchzuführen. Am Anfang stand natürlich das eigene Einarbeiten in die Thematik und die Technik, dann entwickelte ich ein erstes Konzept für die konkrete Umsetzung. Dabei stand nicht nur die Deutschförderung im Vordergrund, auch Kompetenzen in Medienbildung und Bildnerischer Erziehung kamen zum Tragen.
Im Oktober 2016 stellte ich das Projektvorhaben schließlich meiner Arbeitsgruppe, bestehend aus sieben SchülerInnen von acht bis zehn Jahren, vor, die sich von meiner eigenen Motivation für die Sache sofort überzeugen ließen. Insgesamt arbeiteten wir etwa neun Monate intensiv an „Die Geisterjagd“, von der Einführung, der Skizzierung erster Handlungsideen, bis hin zur Premiere.

Szene aus “Die Geisterjagd”
Es liegt nahe, dass junge SchülerInnen noch nicht so viel Erfahrung mit der Realisierung eigener Medienprojekte haben. Wie viel Freiraum haben Sie Ihren SchülerInnen eingeräumt? Welche Vorgaben gab es?
Es war mir wichtig, den SchülerInnen viel Freiheit bei der Umsetzung des Projektes zu geben, um die kreativen Prozesse so wenig wie möglich einzuschränken. Zu meinen Vorgaben gehörte die Stop-Motion-Technik, die ich im Vorfeld präsentierte und für die SchülerInnen der Altersgruppe auch gut umsetzbar ist. Eine Limitierung stellte zudem das Material dar: Da es nur eine Kamera und einen Laptop gab, war klar, dass es ein gemeinsamer Film werden musste.
Ich muss zugeben, dass es für mich zu Beginn schwer war, mich aus den Prozessen herauszunehmen und die Entscheidungen und den Ablauf zum größten Teil in die Hände der SchülerInnen zu legen. In kurzer Zeit konnten sie so aber vollkommen selbstständig sämtliches Equipment auf- und abbauen, die Technik bedienen, die Geschichte nach ihren Vorstellungen entwickeln und umsetzen.
“Es war nun nicht einfach ein Projekt, es war IHR Projekt.”
Die Debatten über Kinder und Medienkonsum sind momentan besonders hitzig und emotional. Übermäßiger Handykonsum ist oft schon bei jungen SchülerInnen ein Thema. Ihre Klasse hat bewiesen, wie man kreativ und ergebnisorientiert mit Medien arbeiten kann.
Wie haben Ihre SchülerInnen den Prozess der Realisierung (Themenfindung, Teammanagment, Austausch kreativer Ideen, technische Ausarbeitung) erlebt? Mit welchen Herausforderungen waren Ihre SchülerInnen bei diesem Medienprojekt – vielleicht das erste Mal – konfrontiert? Was hat gut geklappt?
Der Prozess war, vor allem zu Beginn, sehr konfliktreich. Die SchülerInnen haben viele Fragen zur Handlung diskutiert: Worum handelt unsere Geschichte? Wer sind die ProtagonistInnen? Wo findet die Geschichte statt?
Aber auch auf einer Metaebene mussten Aspekte der Zusammenarbeit besprochen werden: Wie werden Entscheidungen in unserer Gruppe getroffen? Wer hat Mitspracherecht? Welche Inhalte sind legitim?
Teilweise wurde von den SchülerInnen auch ein Abbruch des Projekts thematisiert. Doch dazu kam es glücklicherweise nicht, obwohl ich ihnen die Option in diesem Fall offen gelassen hätte.
Hands-on! – Ein Rundgang mit Christian Ganzer durch das Kindermuseum ZOOM
Wie entsteht Kreativität? Und welche Faktoren begünstigen Lernprozesse? Wir begeben uns auf einen Rundgang mit Ausstellungskurator Christian Ganzer und erfahren (medien-)pädagogische Ansätze im Kindermuseum ZOOM
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Als Kurator kennt er sich mit Kreativität aus. Christian Ganzer ist Bereichsleiter der Ausstellungen und damit betraut, mit seinem Team interaktive Ausstellungen in einem Kindermuseum zu konzipieren. Seit über 20 Jahren arbeitet Christian Ganzer bereits im Wiener Kindermuseum ZOOM – seit 2010 ist er Leiter des Ausstellungsbereichs.
Seit Anbeginn seiner Gründung legt das Museum zwei Schwerpunkte: die interaktive Wissensvermittlung durch die Thematisierung von Technik, Umwelt und Alltagskultur sowie Kunstvermittlung und die Ausübung eigener kreativer Arbeiten. Sensomotorische Erfahrungen machen zu können, gehört daher genauso zu den Möglichkeiten des Hauses wie das Herumexperimentieren mit Werkzeugen und Technik. So können die Kinder und Jugendlichen nicht nur im eigens ausgestatteten Trickfilmstudio und Atelier produzierend tätig werden, sondern auch im Ausstellungsbereich, in dem Stationen zum Experimentieren, Forschen und Werken einladen.
In Museumskonzept ist neben einer möglichst interessanten und vielseitigen Aufbereitung von Themen und Objekten die Bedeutung von Vermittlerinnen und Vermittlern zentral. „Für Kinder sind unsere VermittlerInnen ‚role models’“, erklärt Christian Ganzer beim Beginn des Rundgangs. Die Überzeugung des Museums besteht darin, dass Lernen und Kreativität sich besonders gut über Persönlichkeiten entfalten. Die Aktivitäten und Themen im Museum werden daher stark von internen und externen VermittlerInnen und KünstlerInnen getragen. Einige VermittlerInnen haben zudem Migrationshintergrund. „Der persönliche Bezug zum Thema macht auf die Jugendlichen und Kinder meist mehr Eindruck als jedes noch so schön gewählte Thema“, so der Kurator.
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Ankunft im Trickfilmstudio.
„Viele unserer Workshops werden von Künstlern durchgeführt. So kann es durchaus vorkommen, dass neben Filmemachern auch einmal DJs einen Workshop übernehmen. Der persönliche Interessenschwerpunkt entscheidet natürlich auch darüber, wie man seine eigene Kreativität einsetzt. So legt der DJ vermehrten Fokus auf eine aufwendige Soundkulisse beim Film.“ Die Erfahrungen der Kuratorinnen und Kuratoren des Hauses zeigen, dass Begeisterung bei den Kindern gerade dann zustande komme, wenn auch die Workshopleiterinnen und -leiter in ihrem Element seien.
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Im Trickfilmstudio erwarten uns neben Scheinwerfern, Kameraequipment und Computern zwei große Multimedia-Tische, die via digitaler Übertragung mit einem Beamer verbunden sind. So können die aufgelegten – und von den Kindern selbstgemalten – Motive direkt auf Großleinwand gebeamt werden. „Lustig ist, wie unterschiedlich Kreativität bei Kindern und Erwachsenen entsteht und ausgelebt wird“, so Christian Ganzer. „Wir hatten auch schon Erwachsenen-Workshops in unserem Trickfilmstudio. Es waren Managerinnen und Manager, die einen Trickfilm machen wollten. Es wurde lang diskutiert, welches Thema der Film haben sollte. Argumente wurden miteinander abgewogen, viele Ideen verworfen und solange diskutiert, bis ein Thema übrig blieb. Bei den Kindern läuft das oft anders ab. Da werden Ideen meist miteinander kombiniert. Dass Ponys ins Weltall geschickt werden und unterschiedliche Welten einfach miteinander verwoben werden, ist für die Kinder kein Problem.“
Um auch der Öffentlichkeit, die Arbeiten der Workshops zugänglich zu machen, werden alle Film- und Soundarbeiten in der digitalen ZOOM-Sammlung archiviert.
Nächste Station: der Atelierraum.
Im aktuellen Workshop laden neben einer großen Werkbank und einer üppigen Auswahl an Werkzeugen und Farbutensilien, riesige Wasserbecken zum freien Experimentieren mit verschiedenen Elementen ein. Der Authentizitätsaspekt sei wichtig. „Hier im Atelier ist jede Säge echt. Die Kinder sollen mit echtem Werkzeug arbeiten, um zu verstehen, wie man mit den einzelnen Tools umgehen muss, ohne sich zu verletzen. Indem man Kinder an der Erwachsenenwelt teilhaben lässt, sie nicht mit Spielzeug ‚abspeist‛ fühlen sie sich ernst genommen und in ihrem im Selbstbewusstsein gestärkt.“, so der Ausstellungskurator.
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Je nach Themenschwerpunkt kreieren die Kinder anhand von Erde, Ton und Holz kleinere und größere Arbeiten aller Art. Aktuell steht alles im Zeichen des Wassers. Es darf geplantscht, gewerkt, experimentiert werden. Innere Welten können hier anhand von selbstgeschnitzten Booten und selbstfabrizierten Wasserwelten auch eine äußere Form annehmen.
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Wir erreichen die großen hellen Ausstellungsräume, die in unserem Fall das Thema Hören und Sehen thematisieren. Der Ausstellungsbereich ist interaktiv angelegt. Alle Objekte laden dazu ein, angefasst und je nach Funktion ausprobiert zu werden. Die Erzeugung von Sinnestäuschungen wird beispielsweise anhand von nachgebauten Zimmern mit verkehrten Perspektiven dargestellt. In diesen Räumen wird Wissensvermittlung mit der Möglichkeit, kreativ tätig zu werden, verbunden. Zwischen den einzelnen Ausstellungsinstallationen sind Bastelstationen angebracht. Tische, Sessel und entsprechende Materialien laden dazu ein, Erlerntes und Erfahrenes in eigene Bilder zu verpacken. „Kreativität entfaltet sich am besten an Orten, an denen man sich wohlfühlt.“, so Christian Ganzer. Das Museum achte daher auf eine passende Farbumgebung und ein wertschätzende Atmosphäre.
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Als wir auf das Zielpublikum zu sprechen kommen, merkt Christian Ganzer selbstkritisch an, dass das Museum zwar über die Klassenworkshops ein sehr heterogenes Zielpublikum erreiche und damit auch viele Kinder ins Hause kommen, die in ihrer Freizeit, selten ins Museum gehen. „Aber am Wochenende und an den Nachmittagen erreichen wir standortbedingt eher nur Familien und Touristen, die man wohl dem ‚Bildungsbürgertum’ zurechnen würde.“ Um Kindern und Jugendlichen Workshop-Angebote auch in den Außenbezirken Wiens ermöglichen zu können, wurde die Initiative ZOOM 16 gegründet. Im Wiener Gemeindebezirk Ottakring hat das Museum eine Kreativwerkstatt etabliert, in der Kinder und Jugendliche auch fernab des prestigeträchtigen Hauptstandortes werken, basteln und Filme in der Trickfilmwerkstatt produzieren können.
Das Kindermuseum ZOOM
Die Idee, ein interaktives Museum für Kinder und Jugendliche anzubieten, entstand während eines USA-Aufenthaltes, als Claudia Haas, die Gründerin des Museums, Anfang der 1990er Jahre eines der ersten Kunstmuseen nach dem Hands on Prinzip in den USA entdeckte. 1994 eröffnete Claudia Haas als private Initiative das Museum in den provisorischen Räumlichkeiten der ehemaligen Stallungen im heutigen Museumsquartier. 2001 wurde das Kindermuseum ZOOM in den neugestalteten Räumen im Museumsquartier neu eröffnet.
2015 wurde dem Museum der „Children in Museums Award“ verliehen.
Mehr Infos:
ZOOM Sammlung:
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Fotos: Lisa Badura