Wie Medienbildung gelingen kann – Erfahrungen von der Fachtagung 2017
Spaß haben und dabei lernen? Im Team arbeiten und gleichzeitig Selbstwirksamkeit erleben? Persönliche Themen einbringen und trotzdem gemeinsame Ziele formulieren? LehrerInnen aus ganz Österreich präsentierten auf der Fachtagung im Rahmen des media literacy awards Best-Practice Beispiele und zeigten auf, wie anhand von Medienprojekten Kreativität und kritisches Denken entstehen. Wir begeben uns auf Spurensuche, wie Medienbildung im Unterricht gelingen kann.
“Lernprozesse entstehen, wenn SchülerInnen verstehen, wofür sie etwas lernen. Wenn sie das Endprodukt vor Augen haben, sind sie extrem motiviert. Das geht natürlich besonders gut bei der Realisierung von eigenen Medienprojekten. Die SchülerInnen haben das große Ganze vor Augen und wollen das um jeden Preis erreichen.”
Wolfgang Kolleritsch (Lehrer für Musik und Medien an der Praxis Neuen Mittelschule der Pädagogischen Hochschule Steiermark, sowie Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Steiermark)
Die thematische Vielfalt der Projekte war im Rahmen der diesjährigen Fachtagung breit gefächert. Bei den vorgestellten Projekten wurde gezeigt, wie Filme realisiert, Computer-Animationen generiert, Blog-Projekte initiiert und Photographien erstellt werden. Ein zentrales Thema war dabei vorherrschend: das Ich im Zusammenspiel mit seiner (digitalen) Umwelt.
Nach den Projektpräsentationen bot sich – als World-Café angelegte Diskussionsrunden – die Möglichkeit, sich in einzelne Themen zu vertiefen und sich untereinander zu vernetzen.
Die technischen Voraussetzungen reichten bei den einzelnen Projektgruppen von „eher gut“ bis „sehr gut“. So verfügten einige Klassen über eigene Film- oder Computer-Labs, in denen die nötige Hardware für eine reibungslose Umsetzung sorgte. Ein Klassenteam holte sich Unterstützung durch externe Workhopbetreuer, die nicht nur über technisches Know-how verfügten, sondern auch filmisches Equipment mit in die Schule brachten.
Worum ging es bei den einzelnen Projekten?

Filmstill aus Projekt “Sag was!”
Wie Film als Lernform an der Praxis NMS der Pädagogischen Hochschule Steiermark eingesetzt wird, zeigte ein Projekt, bei dem ein 90-sekündiger Kurzfilm gedreht wurde. Ein Statement pointiert zu artikulieren und die Botschaft wirkungsvoll zu inszenieren, lernten die SchülerInnen durch die Erstellung des Films zum Thema Zivilcourage. Der Kurzfilm sollte genau darauf abzielen und als Plädoyer für den Dialog verstanden werden. (Mehr Informationen hier.)

Kunst und Mathematik – Das Projekt “Imaginary”
Bei einem weiteren Filmprojekt ging es um Kunst und Mathematik. Im Zentrum des Projekts, das am G19 in Wien realisiert wurde, stand die Erstellung von optischen Illusionen und kinetischen Skulpturen. Nachdem das Team eine Kunstausstellung zum Thema besucht hatte, lernten die SchülerInnen mithilfe des Programms Surfer Animationen zu erzeugen. Das Ergebnis waren abstrakte Formen, die rhythmisch verändert, verformt und ineinander gemorpht wurden. Eine von den SchülerInnen selbst komponierte elektronische Musik wurde mit den bewegten Bildern verknüpft. (Hier mehr Informationen.)

Filmstill aus Projekt: “Grenzen…?”
Beim Projekt “Grenzen…?” ging es zwar auch um die Erstellung eines Films, jedoch standen selbstgemachte Fotographien im Vordergrund, die mikroskopische Motive aus der Pflanzenwelt, sowie Landschaften enthielten. Mittels Projektionen von sich selbst loteten die SchülerInnen des BRG Landwiedstraße in Linz das Thema Grenzen aus. Die multinationale Herkunft vieler SchülerInnen war Ausgangsthema.
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“Es ist erstaunlich, wie aufmerksam Kinder und Jugendliche Filme schauen. Selbst bei ungewöhnlichen Filmen, bei filmischen Formen, die ihnen zunächst fremd, sinnlos oder langweilig vorkommen, merkt man im Gespräch danach, wie genau die SchülerInnen beobachtet haben. Und das ist das Entscheidende: Die Reflexion und der Dialog nach dem Film.”
Stefan Huber (Filmvermittler im Österreichischen Filmmuseum)

Stefan Huber, Österreichisches Filmmuseum
Wie Filmvermittlung spannend und schülerzentriert ermöglicht werden kann, zeigte der Ansatz des Österreichischen Filmmuseums. Ein Mitarbeiter stellte das Vermittlungsprogramm vor, das mit unterschiedlichen Schwerpunkten eigens für SchülerInnen (und auch LehrerInnen) konzipiert ist. Im Vordergrund der Filmscreenings stehe der Film als eigenständiges Medium. Behandelt werden seine Geschichte, seine Ästhetik, seine unterschiedlichen Ausformungen. Im Filmmuseum wird sowohl mit Ausschnitten, als auch mit vollständigen Filmen gearbeitet. Zentral seien die Projektionen im Kinosaal selbst. Dabei stehen sowohl Animationen, aktuelle österreichische Filme, Dokumentationen als auch internationale Spielfilme auf dem Programm. (Mehr Informationen zum Angebot hier.)
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Blog-Expertin und Projektbetreuerin Hajnalka Berenyi-Kiss
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Dass Medienprojekte auch im Sprachunterricht entstehen, zeigte ein Blogging-Projekt, das im Englischunterricht der Hertha Firnberg Schulen für Wirtschaft und Tourismus in Wien inzwischen zentraler Bestandteil ist. Ursprünglich als digitales Sprachrohr für den Auslandsaufenthalt der SchülerInnen initiiert, wird der Blog als Diskussions-, Dialog- und Erzählforum eingesetzt. Einzel- als auch Gruppenarbeiten können so auf abwechslungsreiche Weise durchgeführt werden.
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Das Projekt “My digital Me”
Zwei Digital Maker-Projekte des BORG Bad Leonfelden (OÖ) zeigten, wie anhand von geeigneten EinsteigerInnenprogrammen technisch anspruchsvolle Animationen und Programmierumgebungen realisiert werden können. Ein SchülerInnenteam animierte anhand der Programme Blender und Photoshop sich selbst als 3D-Figuren. Es entstanden nicht nur ein Film, der das Projekt visualisiert, sondern auch ein umfassender Bildband, der die einzelnen Arbeiten der SchülerInnen dokumentiert. (Hier mehr Informationen.)

Schülerinnen des Projekts “Creative Programming”
Eine andere Gruppe besuchte einen Workshop, in dem sie durch selbst gebaute Steuerungsmodule mit LittleBits einen Industrieroboter steuern konnten. Nachdem die SchülerInnen das Arduino-Board kennenlernten, bauten sie eigene Wearables. Im Rahmen des Ars Electronica Festivals 2017 stellten die SchülerInnen-Teams, die z.T. von Studierenden des Lehramtsfaches Mediengestaltung an der KunstUni Linz unterrichtet wurden, ihre Werke zum Thema „augmented intellegence“ aus.
Irmgard Bebe (Vertreterin von KulturKontakt Austria) stellte die Möglichkeiten von Kulturvermittlung in ihrer Institution vor. Durch die Vermittlung von WorkshopleiterInnen und Künstlerinnen können LehrerInnen somit bei der Umsetzung medienpädagogischer Projekten unterstützt werden.
Unter welchen Bedingungen können Medienprojekte gelingen? Welche Faktoren haben einen positiven Einfluss auf den Lernprozess? Anhand der Erfahrungsberichte der ReferentInnen lassen sich folgende Ergebnisse zusammenfassen:

Projektgruppe des Films “Sag was!”
Die KollegInnen, die mit ihren SchülerInnen einen Film erstellten, hob drei Beobachtungen besonders hervor:
– Verantwortungsgefühl: Für das Gelingen fanden die SchülerInnen wesentlich, dass sie selbst alle Kompetenzen erwerben konnten (Kamera, Einstellungsgrößen, Arten von Objektive, Umgang mit der Blendenzahl, Ton, Regie, Synchronisation, Schnitt) – und damit lag die Verantwortung für das Endprodukt ganz bei ihnen.
– Konsenserfahrung: Das ganze Team (SchülerInnen, Lehrkräfte und ggf. WorkshopbetreuerInnen) musste zu einem Konsens kommen und trotz erhöhtem Energieaufwand das geplante Ziel im Auge behalten.
– Einbringen der kulturellen Vielfalt: SchülerInnen mit multilingualem Hintergrund verarbeiteten Aspekte ihrer eigenen Herkunftsländer und Identität.
Der Kollege des Filmmuseums berichtete bei den anwesenden Schulklassen immer wieder eine gesteigerte Reflexions- und Diskussionskompetenz zu bemerken. Indem es bei den filmpädagogischen Ansätzen des Filmmuseums weniger um die Vermittlung eines Kanons oder um Fachbegriffe gehe, sondern darum, SchülerInnen zu einem selbstständigen Denken und Reflektieren auf Basis des Gesehenen zu animieren, lernen die jungen Menschen, eigene Standpunkte und Meinungen zu vertreten.
Die Kollegin, die den Klassenblog im Englischunterricht initiiert hatte, beobachtet folgende Aspekte bei ihren SchülerInnen:
– Motivation: Die SchülerInnen fühlen sich durch den Blog motiviert, in einer Fremdsprache zu schreiben und finden zunehmend Vertrauen darin, die eigene Meinung und persönliche Gedanken öffentlichkeitswirksam zu teilen.
– Positive Gruppendynamik: Das Gruppengefühl werde gesteigert, indem neben Einzelarbeiten auch peer to peer-Interaktion und -Lernen stattfinden.
– Kreativität: Durch verschiedene Schreibformen (Lyrik, Wortspiele, Witze etc.) werde kreatives Schreiben ermöglicht.
– Gesteigertes Sprachgefühl: Es sei immer wieder der Wunsch erkennbar, dass die SchülerInnen bei ihren KlassenkollegInnen – den LeserInnen – gut ankommen wollen. Dies führe zu einer freiwilligen Lernbereitschaft.
Bei den meisten Projekten wurde angegeben, dass Ideen und Themenvorschläge vor allem von den SchülerInnen selbst kamen. Es ist somit wahrscheinlich, dass Projekte besonders gut gelingen, wenn die SchülerInnen sich mit den Inhalten und Themen identifizieren können und für die Herangehensweise der Umsetzung selbst verantwortlich sind.
Wir danken allen ReferentInnen für den Einblick in ihre Arbeitsweise und Erfahrungen und freuen uns, dass alle TeilnehmerInnen der Fachtagung die Chance genutzt haben, sich rege auszutauschen und mit KollegInnen zu vernetzen.
Die Fachtagung „Wie kann Medienbildung im Schulalltag gelingen?“ fand bereits zum 11. Mal statt.
Mehr Informationen zu den einzelnen Projekten finden Sie hier: https://www.mediamanual.at/fileadmin/user_upload/mla2017/Fachtagung_Medienbildung_Programm_2017.pdf
Unterstützung für das eigene Projekt kann man auch bei externen WorkshopbetreuerInnen einholen. Mehr Infos hierzu bei KulturKontakt Austria: http://www.kulturkontakt.or.at/html/D/wp.asp?pass=x&p_title=6130&rn=229755
Fotos: Lisa Badura
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